Bertelsmann-Stiftung schlägt Alarm: In Deutschland fehlen 430.000 Kitaplätze
Trotz Fortschritten beim Kitaausbau fehlen in Deutschland nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung rund 430.000 Betreuungsplätze. Mit etwa 386.000 entfalle ein Großteil auf die westlichen Bundesländer, teilte die Stiftung am Dienstag in Gütersloh mit. Im Osten fehlten 44.700 Kitaplätze. Der seit 2013 geltende Rechtsanspruch auf eine Betreuung auch von unter Dreijährigen könne "für hunderttausende Kinder nicht erfüllt werden", erklärte die Stiftung weiter.
Demnach wurde das Kitaangebot in Deutschland in den vergangenen Jahren zwar "erkennbar" ausgebaut. Zugleich steige der Betreuungsbedarf der Eltern aber "kontinuierlich" an. Immer mehr Mütter und Väter wünschten eine Betreuung insbesondere von jüngeren Kindern, erklärte die Stiftung unter Verweis auf Ergebnisse ihres aktuellen sogenannten Ländermonitorings frühkindliche Bildungssysteme und ihres parallel veröffentlichten sogenannten Fachkräfteradars für Kita und Grundschule.
Aufgrund der traditionell unterschiedlichen Betreuungsstrukturen in Ost- und Westdeutschland stellen sich dabei den Bertelsmann-Experten zufolge regional jeweils andere Hauptprobleme. Für die westdeutschen Länder sei insbesondere der steigende Bedarf an zusätzlichen Plätzen eine "enorme Herausforderung". Im Osten, wo der Anteil von Kitakindern schon heute deutlich höher sei als im Westen, seien vor allem nicht kindgerechte Personalschlüssel das Problem.
In beiden Fällen erschwere es der Fachkräftemangel zunehmend, für Abhilfe zu sorgen. "Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden", erklärte Bertelsmann-Expertin Anette Stein. Es werde schwieriger, die Rechtsansprüche auf einen Betreuungsplatz zu erfüllen und in den Kitaeinrichtungen den frühkindlichen Bildungsauftrag umzusetzen.
Die Bertelsmann-Stiftung sprach von einer "Notsituation" aufgrund fehlender Betreuungsplätze und unzureichender Personalschlüssel, der mit einem Mix aus langfristigen sowie kurzfristig wirkenden Maßnahmen begegnet werden müsse. Unter anderem seien "Sofortmaßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen" gefragt - darunter etwa eine Entlastung pädagogischen Personals von Hauswirtschafts- und Verwaltungsaufgaben sowie die verstärkte Einstellung von Quereinsteigern.
In einigen Bundesländern könne auch die Beschränkung von Kitaöffnungszeiten dabei helfen, Betreuungsziele schneller zu erreichen. Dies sei jedoch "eine einschneidende Maßnahme", betonte Bertelsmann-Expertin Stein. Dies lasse sich nur "individuell und in enger Abstimmung" zwischen Eltern, Kitaträgern und Kommunen entscheiden. Die Krise erfordere jedoch generell "neue Antworten".
Längerfristig mit Blick auf die kommenden Jahre bis 2030 sollten die Länder im Westen nach Einschätzung der Stiftung vor allem den Betreuungsplatzausbau vorantreiben, während die ostdeutschen Länder die rechtlichen Voraussetzung für eine bessere Personalausstattung ihrer Kitas schaffen sollten. Gemeinsam bräuchten alle Länder zudem langfristige Strategien zur Fachkräftegewinnung und -qualifizierung sowie attraktive Arbeitsbedingungen, um Personal zu halten.
All das lasse sich nur in enger Abstimmung zwischen Bund, Ländern, Kommunen und Kitaträgern erreichen. Die Bundesregierung müsse sich dabei auch über das Kitaqualitätsgesetz hinaus "verlässlich" an der Finanzierung beteiligen, forderte die Stiftung. Mit dem Gesetz stellt der Bund den Ländern für die Jahre 2023 und 2024 rund vier Milliarden Euro zur Qualitätsverbesserung im Kitabereich bereit, etwa für mehr Personal oder erweiterte Öffnungszeiten.
(V.Blanchet--LPdF)