Fallzahl politisch motivierter Kriminalität steigt auf neuen Höchststand
Die Fallzahlen politisch motivierter Kriminalität in Deutschland haben im vergangenen Jahr um 23,2 Prozent zugenommen und erstmals die Schwelle von 50.000 überschritten. "Wir sehen sehr deutlich, dass wir unsere Demokratie mit aller Kraft schützen müssen", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu am Dienstag in Berlin. Die größte Bedrohung bestehe weiterhin durch Taten von Rechtsextremisten, doch müssten auch andere Bereiche im Blick behalten werden.
In der von Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlichten Bilanz werden insgesamt 55.048 Fälle politisch motivierter Kriminalität aufgelistet. Auch bei Gewalttaten gab es eine Zunahme. Eine Ursache für den neuen Höchststand ist dem Bericht zufolge eine deutliche Zunahme von Straftaten, die offiziell als nicht zuordenbar eingestuft werden, vielfach aber mit den Protesten gegen die staatliche Corona-Politik in Verbindung stünden.
BKA-Präsident Holger Münch wies darauf hin, dass sich die Zahl der politisch motivierten Straftaten seit 2012 etwa verdoppelt habe. Zu Straftaten in Verbindung mit Corona-Protesten sagte er, hier gehe es um eine "heterogene Mischszene", der eine "staatskritische bis staatsfeindliche Haltung" gemeinsam sei. Es gebe aber auch "starke Schnittmengen" mit dem Bereich Rechtsextremismus.
Insgesamt werden in dem Bericht 21.964 der erfassten Straftaten dem politisch rechten Spektrum zugeordnet, knapp sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den offiziell nicht zuordenbaren Straftaten wurde ein drastischer Anstieg um 147,4 Prozent auf 21.339 Fälle verzeichnet. Dazu zählen aber neben Taten aus der sogenannten Querdenker-Szene auch weitere Fälle, die aus unterschiedlichen Gründen keinem klassischen Bereich wie links oder rechts zugeordnet werden konnten.
10.113 politisch motivierte Straftaten werden dem linken Spektrum zugeordnet (minus 7,8 Prozent). Weitere 1153 Fälle zählen die Behörden zum Bereich "ausländische Ideologie" (plus 13,5 Prozent), 479 Fälle zum Bereich "religiöse Ideologie" (plus 0,4 Prozent). 2020 waren insgesamt 44.692 Fälle politisch motivierter Kriminalität erfasst worden.
Die Zahl der politisch motivierten Gewalttaten stieg 2021 um 15,6 Prozent auf 3889. Den mit Abstand stärksten Anstieg gab es auch hier bei politisch nicht zuzuordnenden Delikten, plus 144,3 Prozent auf 1444. Darunter sind 459 Körperverletzungen.
1042 der Gewalttaten werden dem rechten Spektrum zugerechnet (minus 4,6 Prozent), 1203 dem linken Spektrum (minus 21,2 Prozent), 140 ausländischer Ideologie (plus 23,9 Prozent) und 60 religiöser Ideologie (plus 39,5 Prozent). Im Bericht enthalten ist auch die Ermordung eines Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein im September, der einen Kunden auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte.
Die Zahl antisemitischer Taten stieg um 28,75 Prozent auf 3027 Fälle. Davon wurden 2552 Fälle dem rechten Spektrum zugeordnet, 127 Fälle dem Bereich ausländischer Ideologie und 57 dem Bereich religiöse Ideologie. Den höchsten Anstieg gab es auch hier bei offiziell nicht zuzuordnenden Taten, deren Zahl um 519,6 Prozent auf 285 zunahm. 64 der antisemitischen Delikte waren Gewalttaten, darunter 51 Körperverletzungen. Faeser bezeichnete dies als "eine Schande für unser Land".
Im Bereich Hasskriminalität bliebt die Zahl der Straftaten mit 10.501 weitgehend konstant (plus 2,5 Prozent), es gab aber in Einzelbereichen deutliche Anstiege, etwa bei behindertenfeindlichen Taten sowie Taten zur sexuellen Orientierung oder Identität. Den mit Abstand höchsten Anteil bildeten hier weiterhin 9236 fremdenfeindliche Taten (minus 2,0 Prozent).
(F.Bonnet--LPdF)