Wiedereröffnung von Notre-Dame: Vor großer Feier erste Schaulustige rund um die Kathedrale
Gut fünf Jahre nach einem verheerendem Großbrand öffnet die aufwändig restaurierte Pariser Kathedrale Notre-Dame am Samstag ihre Pforten. Am Vormittag sammelten sich erste Schaulustige am Rand der Absperrungen. Zur Feier der Wiedereröffnung der gotischen Kirche werden etwa 40 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter ihnen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie der designierte US-Präsident Donald Trump.
Aufgrund der schlechten Wetterlage wurde die Eröffnungsfeier nach drinnen verlegt. Dies bedeutet, dass die etwa 3000 Gäste sich bereits in der Kathedrale befinden, bevor Erzbischof Laurent Ulrich drei Mal mit dem Bischofsstab an die Pforte klopft, worauf jeweils der Chor von Notre-Dame mit dem Gesang eines Psalms antwortet.
Ursprünglich hätte der Erzbischof als erster in die noch leere Kathedrale einziehen sollen. Es ist für ihn zugleich die symbolische Übernahme seines Bischofssitzes, der Kathedra - woher der Name Kathedrale kommt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird nach dem neuen Programm seine Ansprache nun doch im Inneren der Kathedrale halten. Darin sehen manche eine Verletzung der in Frankreich herrschenden Trennung von Kirche und Staat. Dies hatte er anfangs schon vorgehabt und war nach Protesten davon wieder abgerückt.
Etwa 600 Sicherheitskräfte sind im Einsatz, um die Eröffnungsfeier abzusichern. Am Samstagmorgen trafen die ersten Schaulustigen am Rand der weitgefassten Sicherheitszone ein. "Als die Kathedrale 2019 brannte, war ich sehr schockiert", sagt die Kanadierin Noëlle Alexandria, die schon um 6.00 Uhr an einer der Brücken zur Seine-Insel stand, die einen guten Blick auf Notre-Dame bietet. "Als sie sagte, dass sie in fünf Jahren wieder aufgebaut werden sollte, habe ich das nicht geglaubt", fügte sie hinzu.
Raphaël Jean, ein junger Anwalt aus Toulouse, reiste mit seiner Frau mit dem Nachtzug an. "Uns ist es wichtig, dabei zu sein. Es zeigt, dass Frankreich seine Kirchen nicht fallen lässt", sagte er. Er bedaure es, dass Papst Franziskus nicht komme. "Aber ich verstehe, dass er lieber an Orte fährt, die nicht so im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen", sagte er.
Während der Eröffnungsfeier wird der Erzbischof auch die Orgel weihen und traditionelle Loblieder anstimmen, das Magnificat und das Te Deum. Nach dem Ende der religiösen Feier war ein Kulturprogramm mit dem Pianisten Lang Lang und Überraschungsgästen geplant - dies wurde wegen des vorausgesagten Unwetters bereits am Freitagabend aufgenommen und soll am Samstag ausgestrahlt werden.
"Seit Menschengedenken hat niemand die Kathedrale gesehen, wie sie jetzt aussieht", sagte Erzbischof Ulrich der AFP. "Der gereinigte helle Sandstein bringt sie so sehr zum Leuchten, dass man den Eindruck hat, sie sei größer als vorher, als der Dreck und Ruß der Jahrhunderte die Mauern geschwärzt hatte."
Auch Deutschland war an der Restaurierung beteiligt gewesen. Die Kölner Dombauhütte hatte für insgesamt etwa 900.000 Euro vier große Buntglasfenster von 1965 gereinigt und restauriert. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" fertigte eine bayerische Gießerei in Anzenkirchen Klöppel für zwei der Glocken.
Zur ersten Messe am Sonntag um 10.30 Uhr werden neben Macron 150 Bischöfe aus ganz Frankreich erwartet. Eingeladen sind auch Vertreter der Pariser Pfarreien sowie Kranke, Menschen mit Behinderungen und Obdachlose. Mit ihnen werden die Bischöfe anschließend zu Mittag essen.
Die Kathedrale war durch das Feuer am 15. April 2019 schwer beschädigt worden. Der gesamte Dachstuhl brannte ab, der Vierungsturm stürzte brennend ins Kirchenschiff. Dank großzügiger Spenden aus aller Welt in Höhe von 846 Millionen Euro konnte Notre-Dame innerhalb von gut fünf Jahren gründlich restauriert werden.
Am Rande der Feierlichkeiten dürfte es auch zahlreiche politische Gespräche geben. Macron, der nach dem Sturz seiner Regierung mit Rücktrittsforderungen konfrontiert ist, will um 16.00 Uhr Trump und um 17.00 Uhr Selenskyj empfangen. Ob der designierte US-Präsident und der ukrainische Staatschef sich auch gesondert treffen, war nicht bekannt.
Für Trump ist es die erste Auslandsreise und die erste Begegnung mit vielen seiner künftigen Amtskolleginnen und -kollegen seit seiner Wahl im November. Er will sich unter anderem in der Ukraine-Politik von seinem Vorgänger Joe Biden absetzen. Am Abend lädt Macron die Spitzenpolitikerinnen und -Politiker zum Dinner in den Elysée.
Nicht dabei ist EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, die ihr Kommen zunächst angekündigt und dann wieder abgesagt hatte. Sie steht in Frankreich massiv in der Kritik, weil sie die Einigung auf ein Mercosur-Freihandelsabkommen vorangetrieben hat.
(A.Renaud--LPdF)