Wahlkreiseinteilung in Niedersachsen verfassungswidrig - Landtagswahl aber gültig
Die Einteilung der Landtagswahlkreise in Niedersachsen verstößt dem Landesverfassungsgericht zufolge gegen die Landesverfassung. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sei verletzt, erklärte der Staatsgerichtshof in Bückeburg am Montag im Verfahren um eine Wahlprüfungsbeschwerde zur Landtagswahl 2022. Trotz dieses "Wahlfehlers" bleibe die Wahl aber gültig, entschied das Gericht. Bis zur nächsten Wahl 2027 muss der Landtag die Einteilung allerdings ändern. (Az. StGH 5/23)
Das Landesverfassungsgericht rügte "erhebliche Unterschiede in der Größe der Wahlkreise", die den Grundsatz des gleichen Stimmengewichts bei der Mehrheitswahl der Direktkandidaten in den Wahlkreisen verletzten und mit der Verfassung daher nicht mehr vereinbar seien. Da das Ideal annähernd gleicher Wahlkreisgrößen in der Praxis nicht erreichbar sei, gebe es zwar gewisse verfassungsrechtlich zulässige Toleranzgrenzen. Auch vereinzelte darüberhinausgehende Ausnahmen seien zulässig, betonte das Gericht weiter.
Das bei der Landtagswahl von 2022 geltende Wahlgesetz habe diese zulässigen Grenzen aber überschritten. So sei die Zahl der Wahlberechtigten in 32 von insgesamt 87 Wahlkreisen um mehr als 15 Prozent von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße abgewichen, in zwei davon gar um mehr als 25 Prozent. Eine Überschreitung von bis zu 25 Prozent sei "in Ausnahmefällen" noch zulässig, darüber hinaus aber nicht mehr. Bei der Gesamtzahl von Abweichungen handle es sich zudem nicht mehr um Ausnahmen, führte das Gericht zur Begründung an.
Anders als vom Beschwerdeführer gefordert, erklärte es die Landtagswahl 2022 aber nicht für ungültig. Eine Neuregelung der gesamten Wahlkreiseinteilung müsse durch den Gesetzgeber erfolgen und sei "innerhalb kurzer Zeit nicht umzusetzen", betonte der Staatsgerichtshof. Dieser werde mit dem Urteil aber verpflichtet, die verfassungskonforme Neueinteilung bis zur nächsten regulären Wahl 2027 vorzunehmen. Bis dahin gelte das alte Wahlrecht weiter.
Hintergrund ist das sogenannte Mehrheitswahlrecht, das unter anderem auch bei der Wahl von Direktkandidaten angewandt wird. Als Abgeordneter gewählt ist demnach, wer in seinem Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt. Das steht bei unterschiedlich großen Wahlkreisen jedoch in einem Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wahlgleichheit, wonach alle Stimmen auf das Ergebnis der Abstimmung am Ende den gleichen Einfluss haben sollen.
Laut Gericht ist allerdings eine Abwägung nötig, weil sich das Prinzip gleich großer Wahlkreise in der Realität nicht erreichen lässt. Die in Wahlkreisen zusammengefassten Gemeinden sind unterschiedlich groß, zudem verändert sich die Bevölkerungsverteilung stetig. Auch Faktoren wie historisch verwurzelte Verwaltungsgrenzen spielen demnach eine Rolle. Gerade in Niedersachsen mit seinen vielen kleinen Gemeinden seien Abweichungen vom Durchschnitt daher "systemimmanent" und in gewissen Umfang auch von der Verfassung gedeckt.
(V.Castillon--LPdF)