Staatsanwaltschaft fordert Bewährung in Prozess um SUV-Unfall mit vier Toten in Berlin
Im Prozess um einen SUV-Unfall mit vier Toten in Berlin-Mitte hat die Staatsanwaltschaft vor dem Landgericht der Hauptstadt eine eineinhalb jährige Bewährungsstrafe für den angeklagten 45-jährigen Fahrer gefordert. Michael M. habe sich der fahrlässigen Tötung und der Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig gemacht, sagte Oberstaatsanwalt Dirk Klöpperpieper am Mittwoch in seinem Plädoyer.
Der Unfall an sich, zu dem es am 6. September 2019 gekommen war, könne dem Angeklagten nicht zugerechnet werden, da er aufgrund eines epileptischen Anfalls nicht schuldfähig gewesen sei. Es sei im Prozess jedoch darum gegangen, ob er ein Auto habe benutzen dürfen; es sei also vorwiegend um medizinische Fragen und Fragen der Belehrung gegangen.
M. habe im Mai 2019 einen ersten epileptischen Anfall erlitten und entsprechende Medikamente bekommen. Im August darauf habe er einen vorher festgestellten Hirntumor operativ entfernen lassen. Nach der Operation habe ihm ein Arzt empfohlen, für mindestens vier Wochen kein Auto zu fahren. Ein weiterer Mediziner habe ihn Ende August bei einem Gespräch auf das Fahrverbot hingewiesen.
Zwar könne nicht festgestellt werden, was genau der Arzt Ende August gesagt habe. Zudem habe er die Patientenakte des Angeklagten ein paar Wochen später geändert und ergänzt. Dies habe Schaden an seiner Glaubwürdigkeit genommen, sagte Klöpperpieper. In irgendeiner Form habe der Mediziner gegenüber M. jedoch das Fahrverbot erwähnt.
Die Belehrungen seien "unzureichend gewesen", sagte der Oberstaatsanwalt. "Bei der Vorgeschichte" hätte sich der Angeklagte jedoch vor Fahrantritt über seine Fahrtauglichkeit informieren müssen. Er habe da auch eine Eigenverantwortung gehabt. "Sie hätten niemals fahren dürfen", sagte Klöpperpieper an den 45-Jährigen gerichtet. Deshalb sei die fahrlässige Tötung in vier Fällen verwirklicht.
M. fuhr laut Anklage am 6. September 2019 mit seinem Sportgeländewagen in Berlin-Mitte. Infolge eines epileptischen Anfalls sei er verkrampft und habe das Gaspedal durchgedrückt. Dann sei er konstant voll beschleunigend gradlinig rund 80 Meter weitergefahren, von der Fahrbahn abgekommen und habe vier Menschen sowie mehrere Poller und einen Ampelmasten überfahren.
Die vier Opfer - ein drei Jahre altes Kind, zwei Männer im Alter von 28 und 29 Jahren sowie eine 64-jährige Frau - erlagen noch am Unfallort ihren Verletzungen. M. soll sie mit einer "Kollisionsgeschwindigkeit von 102 bis 106 Stundenkilometern" erfasst haben.
Der Angeklagte hatte zu Beginn des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres sein Bedauern über den Unfall und die Folgen geäußert. Er sprach in einer von ihm verlesenen Einlassung von einem "schrecklichen, ganz traurigen Unglück". Er sei in keinem der Briefe seines Arztes darauf hingewiesen worden, nicht fahren zu dürfen. Er habe nur einmal einen mündlichen Hinweis bekommen. Das Urteil in dem Prozess wird Mitte Februar erwartet.
Der Unfall hatte 2019 für große Empörung und eine Debatte über die Zulässigkeit von SUVs in Innenstädten gesorgt. Unter anderem die Grünen und verschiedene Organisationen forderten damals Maßnahmen gegen die Nutzung der Fahrzeuge.
(A.Monet--LPdF)