Menschenrechtsaktivisten: Mehr als 30 Tote bei Protesten im Iran
Bei den größten Protesten im Iran seit fast drei Jahren sind nach offiziellen Angaben 17 Menschen getötet worden. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo sprach am Donnerstag sogar von mindestens 31 toten Zivilisten durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Proteste seit dem Tod einer von der Sittenpolizei festgenommenen Frau. Die Behörden schränkten den Zugang zum Internet weiter ein und blockierten die Onlinenetzwerke Whatsapp und Instagram.
Das iranische Staatsfernsehen berichtete, seit Ausbruch der Proteste am Freitag vergangener Woche seien 17 Menschen gestorben. Demnach waren unter den Toten auch vier Mitglieder der Sicherheitskräfte.
Der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini hatte eine landesweite Welle der Empörung und Proteste ausgelöst. Die junge Frau war vor einer Woche in der Hauptstadt Teheran von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie das islamische Kopftuch offenbar nicht den strikten Vorschriften entsprechend trug.
Amini brach unter ungeklärten Umständen auf der Polizeiwache zusammen und wurde drei Tage später im Krankenhaus für tot erklärt. Laut Polizei hatte sie einen Herzanfall. Menschenrechtsaktivisten zufolge erlitt Amini einen tödlichen Schlag auf den Kopf.
Seitdem gab es laut iranischen Staatsmedien in etwa 15 iranischen Städten Proteste, Menschenrechtsaktivisten sprechen von mehr als 30 Städten. Auf Videos in den Onlinenetzwerken ist zu sehen, wie Demonstrantinnen ihre Kopftücher abnehmen und verbrennen oder ihr Haar vor einer jubelnden Menschenmenge abschneiden. In Isfahan zerrissen Protestierende ein Transparent mit einem Bild des geistlichen Oberhaupts des Iran, Ayatollah Ali Chamenei.
Mit Instagram und Whatsapp wurde nun der Zugang zu den beiden meistbenutzten Apps im Iran blockiert. In den vergangenen Jahren hatten die iranischen Behörden bereits viele andere Plattformen wie Facebook, Telegram, Tiktok, Twitter und Youtube gesperrt. Auch sind die Internetverbindungen seit Beginn der Proteste deutlich verlangsamt.
IHR-Direktor Mahmud Amiri Moghaddam sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Proteste könnten "vielleicht der Anfang einer großen Veränderung" im Iran sein. "Wir verfolgen die Situation der Menschenrechte und die Demonstrationen im Iran seit 15 Jahren, und ich habe die Menschen noch nie so wütend gesehen", sagte der Menschenrechtsaktivist.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte am Donnerstag am Rande der UN-Generaldebatte in New York an, das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten vor den UN-Menschenrechtsrat zu bringen. Der "brutale Angriff auf die mutigen Frauen im Iran" sei "auch ein Angriff auf die Menschheit", sagte Baerbock.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die in New York anwesenden Staats- und Regierungschefs auf, "einen unabhängigen internationalen Untersuchungs- und Rechenschaftsmechanismus zu unterstützen, um die weit verbreitete Straflosigkeit im Iran zu adressieren".
US-Präsident Joe Biden hatte am Mittwoch in einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York gesagt: "Heute stehen wir hinter den tapferen Bürgern und den tapferen Frauen des Iran, die in diesem Augenblick demonstrieren, um ihre Grundrechte zu sichern." Am Donnerstag verhängten die USA Sanktionen gegen mehrere Verantwortliche der iranischen Sittenpolizei.
Unterdessen berichtete die Star-Journalistin Christiane Amanpour im Kurzbotschaftendienst Twitter, ein Berater von Irans Präsident Ebrahim Raisi habe sie am Mittwoch in New York aufgefordert, für ein Interview mit Raisi Kopftuch zu tragen. Sie habe dies abgelehnt und darauf verwiesen, dass noch kein iranischer Staatschef dies bei einem Interview außerhalb des Iran verlangt habe. Daraufhin sei das Interview abgesagt worden.
(L.Garnier--LPdF)