Breite Ablehnung von Wiedereinführung der Wehrpflicht
In der Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht als Reaktion auf den Ukraine-Krieg mehren sich die Stimmen der Gegner. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, sagte in einem Interview vom Mittwoch, die Streitkräfte bräuchten "gut ausgebildetes, in Teilen sogar hochspezialisiertes Personal" etwa zur Abwehr von Cyberangriffen. Wehrpflichtige könnten das nicht leisten. Ablehnung kam auch aus der Führung von SPD und CSU.
"Die Wehrpflicht, so, wie wir sie noch kennen, ist in der jetzigen Situation nicht erforderlich", sagte Zorn den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Bundeswehr und ihre Aufgaben hätten sich verändert. "Für den Kampf im Cyberraum, um nur ein Beispiel zu nennen, sind Wehrpflichtige absolut ungeeignet."
Zorn wies zudem darauf hin, dass eine Entscheidung dieser Tragweite nicht auf die Schnelle getroffen werden könne. "Mit Blick auf eine Umstrukturierung der Bundeswehr wieder hin zu einer Streitkraft, die sich wesentlich auf eine Mobilmachung aus dem Volk heraus abstützt, muss es vorher eine gesamtgesellschaftliche Debatte geben."Darüber hinaus sei die "Klärung rechtlicher und grundgesetzlicher Fragen" nötig.
Gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht als Reaktion auf die Ereignisse in der Ukraine sprach sich SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert aus. "Eine Reaktivierung der Wehrpflicht leistet keinen Beitrag zum Abbau aktueller Bedrohungen und lenkt von dringlichen Problemen ab“, sagte er den Funke-Zeitungen. Ihr Nutzen für die Bundeswehr sei mehr als fraglich.
Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und der angekündigten Stärkung der Bundeswehr gab es vor allem aus der CDU, aber auch von einzelnen SPD-Abgeordneten Forderungen, eine allgemeine Dienstpflicht zu diskutieren. Diese würde sich nicht auf die Wehrpflicht beschränken, sondern alternativ auch einen Pflichtdienst etwa im Pflege- und Sozialbereich vorsehen.
Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß unterstützte dies. "Ich setze mich schon seit Längerem für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr für junge Menschen ein, das bei der Bundeswehr, aber etwa auch bei Hilfsorganisationen oder in den Bereichen Pflege und Erziehung absolviert werden kann", sagte er den Funke Zeitungen. "Wir brauchen wieder mehr Staatsbürger und weniger Ich-Bürger!"
Er sehe "wenig Sinn" in einer Wiedereinführung der Wehrpflicht, sagte seinerseits CSU-Chef Markus Söder. Auch gegenüber einer allgemeinen Dienstpflicht sei er "sehr skeptisch". Er sehe einerseits ein "verfassungsrechtliches Problem", wenn junge Menschen zu einem einjährigen Dienst verpflichtet würden. Zudem würde der Plan "ein enormes Maß an zusätzlicher Bürokratie bedeuten". Und nach zwei Jahren Corona-Pandemie sei nun nicht die Zeit, "junge Menschen zusätzlich zu verunsichern", sagte Söder in München.
"Die Dienstpflicht - darüber haben wir lange genug diskutiert, damit ist Schluss", sagte SPD-Ko-Chefin Saskia Esken den Sendern RTL und ntv. Sie halte das für "eine abwegige Debatte".
(R.Dupont--LPdF)