Offenbar keine Toten bei Angriff auf Theater in Mariupol
Mit tödlichen Angriffen auf zivile Ziele in Kiew und Charkiw hat Russland seine Offensive in der Ukraine am Freitag fortgesetzt. Auch eine Flugzeugwerkstatt nahe der Grenze zu Polen geriet unter Beschuss. Bei dem Angriff auf ein Theater mit hunderten Schutzsuchenden in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol gab es nach jüngsten Angaben der Behörden offenbar keine Todesopfer. Zwei Tage nach der Attacke werden aber weiterhin zahlreiche Menschen unter den Trümmern vermutet.
Die Aufräumarbeiten in Mariupol dauerten an, erklärte die Stadtverwaltung auf Telegram. Nach ersten Informationen gebe es keine Toten, ein Mensch sei aber schwer verletzt worden. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuvor gesagt, mehr als 130 Menschen seien aus den Trümmern des Theaters gerettet worden, hunderte weitere säßen noch unter dem Schutt eingeschlossen.
Der Angriff auf das Theater, in dessen Schutzkeller hunderte Menschen Zuflucht gesucht hatten, hatte international Empörung ausgelöst. Nach ukrainischen Angaben hatte Russland das Theater am Mittwoch bombardiert, obwohl vor beiden Seiten des Gebäudes gut sichtbar das Wort "Kinder" auf Russisch auf den Boden gemalt war. Russland wies die Vorwürfe zurück und machte die nationalistische ukrainische Asow-Brigade für den Angriff verantwortlich. Wegen Russlands Belagerung von Mariupol lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen.
Die russische Armee setzte derweil ihre Offensive in Mariupol fort, Unterstützung erhielt sie dabei von Kämpfern aus der von Moskau anerkannten "Volksrepublik" Donezk. Das russische Verteidigungsministerium meldete Kämpfe mit ukrainischen Einheiten im Stadtzentrum. Hilfsorganisationen beschreiben die Lage im eingekesselten Mariupol als katastrophal. Nach Behördenangaben starben in der Hafenstadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar bereits mehr als 2000 Menschen.
Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohngebiet in Kiew wurde nach Angaben der Stadtverwaltung ein Mensch getötet. Eine Schule und ein Kindergarten wurden bei dem Bombardement beschädigt. Die russische Armee versucht seit Tagen, die ukrainische Hauptstadt einzukesseln, stößt dabei aber auf massiven Widerstand. Bei einem Raketenangriff auf eine Bildungseinrichtung in Charkiw wurde nach Behördenangaben ebenfalls ein Mensch getötet.
Die russischen Streitkräfte griffen am Freitag auch erneut ein Ziel nahe der polnischen Grenze an. "Mehrere Raketen schlugen in einer Fabrik ein, in der Flugzeuge repariert werden", teilte der Bürgermeister des westukrainischen Lwiw, Andrij Sadowyj, mit. Das Gebäude der Flugzeugwerkstatt bei Lwiw sei zerstört worden. Lwiw ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für hunderttausende Flüchtlinge aus der gesamten Ukraine.
Die Großstadt im Westen der Ukraine war bislang weitestgehend von den Kämpfen verschont geblieben. Die russische Armee hatte jedoch bereits am vergangenen Wochenende einen ukrainischen Militärstützpunkt in der Gegend nahe der Grenze zu Polen bombardiert, was den Krieg gefährlich nahe an die Nato sowie die EU heranführte.
Da die seit drei Wochen andauernde Ukraine-Offensive des russischen Staatschefs Wladimir Putin aufgrund des massiven ukrainischen Widerstands ins Stocken geraten ist, setzt Moskau zunehmend auf Luftangriffe, um die Oberhand zu gewinnen. In einem Telefonat mit Putin forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag erneut einen schnellstmöglichen Waffenstillstand.
Bei den Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau gibt es aber weiterhin keine greifbaren Ergebnisse. Der russische Chefunterhändler Wladimir Medinski sagte am Freitag, es seien eine "Annäherung" der Positionen in der Frage des neutralen Status der Ukraine und Fortschritte in der Frage der Entmilitarisierung des Landes zu beobachten. Ein neutraler Status würde bedeuten, dass die Ukraine auf einen Beitritt zur Nato verzichtet.
Selenskyjs Berater Mychailo Podoljak erklärte auf Twitter, die ukrainischen Forderungen seien unverändert: "Waffenstillstand, Abzug der (russischen) Truppen und starke Sicherheitsgarantien mit konkreten Formulierungen".
Seit Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine sind nach UN-Angaben bereits 3,27 Millionen Menschen aus dem Land geflohen. Allein in Polen kamen in den vergangenen drei Wochen mehr als zwei Millionen Kriegsflüchtlinge an, wie der Grenzschutz des Landes am Freitag mitteilte.
(M.LaRue--LPdF)