Nato verstärkt Ostflanke und rüstet sich gegen mögliche chemische Angriffe
Einen Monat nach Kriegsbeginn in der Ukraine rüstet sich die Nato gegen einen möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Russland und verstärkt zudem weiter ihre Ostflanke. "Die Nato war nie so vereint wie heute", sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag in Brüssel. Bei dem Gipfeltreffen bat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft um die Lieferung von Kampfflugzeugen und Panzern.
Vier neue Kampfeinheiten sollen nach Rumänien, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei entsandt werden, kündigte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Rande des Gipfel an. "Damit werden wir acht Battle Groups von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer haben." Stoltenberg bekräftigte zugleich, dass die Nato "weder Soldaten noch Flugzeuge" in die Ukraine schicken werde.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich offen für eine weitergehende Beteiligung Deutschlands an den Kampfeinheiten. "Das sind Entscheidungen, die gemeinsam getroffen werden", sagte Scholz. Bisher gibt es bereits vier solche Verbände in Polen und den drei Baltenstaaten Litauen, Lettland und Estland. Sie waren nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 entsandt worden, durch einen Nato-Beschluss von 2016.
Stoltenberg und Scholz warnten davor, dass Russland einen ukrainischen Angriff mit chemischen oder biologischen Waffen vortäuschen könnte, um solche Waffen dann selbst einzusetzen. Aus diesem Grund aktiviere die Nato die Reaktionsbereitschaft der Verbündeten mit Blick auf solche Massenvernichtungswaffen, sagte Stoltenberg. Zudem solle auch die Ukraine für die Verteidigung dagegen ausgestattet werden, etwa durch Material zum Aufspüren solcher Angriffe.
"Jegliche Verwendung chemischer oder biologischer Waffen durch Russland wäre inakzeptabel und würde schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen", hieß es in der Abschlusserklärung des Nato-Sondergipfels. Stoltenberg verwies auch auf das Risiko, dass Menschen in Nato-Staaten betroffen sein können, "etwa durch Ansteckung oder die Verbreitung chemischer Stoffe". Auf die Frage, ob ein Angriff mit Chemiewaffen den Bündnisfall auslösen würde, antwortete Biden: "Das entscheiden wir dann."
Selenskyj bat in seiner Videobotschaft einmal mehr eindringlich um mehr Militärhilfe. "Um unser Volk und unsere Städte zu schützen, brauchen wir Militärhilfe ohne Einschränkungen - so wie auch Russland sein gesamtes Arsenal ohne Einschränkungen gegen uns einsetzt", sagte er. Die Ukraine wolle lediglich "ein Prozent" der Panzer und Kampfflugzeuge, über die die Nato verfüge, betonte er.
Biden sprach sich in Brüssel auch dafür aus, Russland aus dem G20 auszuschließen. Indonesien hatte als Organisator des nächsten G20-Gipfels im November zuvor mitgeteilt, dass alle Staats- und Regierungschefs der Staatengruppe eingeladen worden seien, auch Russlands Präsident Wladimir Putin.
Auf dem Nato-Sondergipfel wurde zudem Generalsekretär Jens Stoltenberg für ein weiteres Jahr im Amt bestätigt. Eigentlich wollte der 63-Jährige Zentralbankchef in seinem Heimatland Norwegen werden. Stoltenberg habe eine "bemerkenswerte Arbeit" geleistet, "vor allem in diesem kritischen Moment für die internationale Sicherheit", schrieb Biden auf Twitter.
(C.Fournier--LPdF)