Parlamentswahl in Ungarn von Debatte über Ukraine-Krieg bestimmt
Die Ungarn haben nach einem vom Ukraine-Krieg dominierten Wahlkampf ein neues Parlament gewählt. Der langjährige Regierungschef Viktor Orban gab am Sonntagmorgen gemeinsam mit seiner Frau in einem Budapester Wahllokal seine Stimme ab, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Für Orban könnte es bei der Wahl eng werden: Die Opposition trat erstmal vereint gegen den Rechtspopulisten an - in einem politisch weitgefächerten Sechs-Parteien-Bündnis.
Die Wahllokale bleiben bis 19.00 Uhr geöffnet. Aussagekräftige Teilergebnisse dürften nach Angaben des Regierungssprechers Zoltan Kovacs aber erst nach 23.00 Uhr vorliegen.
Experten gingen von einer hohen Wahlbeteiligung von über 70 Prozent aus. Hintergrund dürfte auch der beispiellose Wahlkampf sein, den sich Orbans rechtsnationalistische Fidesz-Partei und das vom Konservativen Peter Marki-Zay geführte Oppositionsbündnis geliefert hatten.
Marki-Zay hat der von Orban geprägten "illiberalen" Demokratie den Kampf angesagt. Hinter ihm steht ein breites Bündnis, das von der rechten Jobbik-Partei über die Liberalen bis zu den Grünen und den Sozialdemokraten reicht. Durch den Zusammenschluss ihrer Kräfte hofften die Oppositionsparteien, den seit 2010 ununterbrochen an der Spitze der Regierung stehenden Orban aus dem Amt drängen zu können.
Vor Anhängern in Budapest zeigte sich Marki-Zay am Sonntag zuversichtlich. Angesichts von "zwölf Jahren Gehirnwäsche", welche die Fidesz-Partei betrieben habe, sei die Wahl zwar ein "harter Kampf". Doch das Oppositionsbündnis stehe vor einem "Sieg".
Orban sagte seinerseits, er rechne mit einem "großartigen Sieg" für seine Partei. Er sprach von einer "fairen Wahl". Orban hat das Land aus Sicht seiner Kritiker in den vergangenen Jahren zunehmend autoritär umgebaut und Wahlreformen zugunsten seiner eigenen Partei umgesetzt. Zudem stehen die meisten Medien in Ungarn inzwischen unter staatlicher Kontrolle.
Aktivisten warnten bereits vor der Abstimmung vor erheblichem Wahlbetrug. In einem für ein EU-Land höchst ungewöhnlichen Vorgang überwachten erstmals mehr als 200 internationale Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Wahlprozess in Ungarn.
Marki-Zay hat vor allem in der Hauptstadt Budapest viele Befürworter. Entscheiden dürfte sich die Wahl aber in den rund 30 ländlich geprägten Wahlkreisen, in denen es traditionell viele Wechselwähler gibt. Marki-Zay war in den den vergangenen Wochen kreuz und quer durch Ungarn gereist, um Wähler von sich zu überzeugen.
Der Wahlkampf war zuletzt vor allem vom russischen Krieg in der Ukraine dominiert gewesen. Orban, der unter anderem wegen seiner Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin in der EU seit langem am Pranger steht, hatte zwar die EU-Maßnahmen zugunsten Kiews offiziell unterstützt. Im Wahlkampf hob er aber die neutrale Haltung Ungarns in dem Konflikt hervor und untersagte unter anderem die Lieferung von Waffen an die benachbarte Ukraine über ungarisches Staatsgebiet.
Während Orban der Opposition "Kriegshetze" vorwarf, forderte deren Spitzenkandidat die Ungarn auf, sich zwischen "Putin und Europa" zu entscheiden.
Die letzte vom regierungskritischen Institut Publicus veröffentlichte Umfrage vom Samstag sagte ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Fidesz und dem Oppositionsbündnis voraus. Angesichts der Vorteile, die Fidesz nach den jüngsten Wahlrechtsreformen genieße, benötige die Opposition jedoch einen Vorsprung von mindestens drei bis vier Prozentpunkten gegenüber der Regierungspartei, sagte der Publicus-Experte Andras Pulai. Auch die Stimmen der im Ausland lebenden Ungarn seien ein Unsicherheitsfaktor. "Alles ist möglich", sagte Pulai.
(A.Monet--LPdF)