EU will Ukraine vor befürchteter Eskalation mehr Waffen liefern
Die Europäische Union fürchtet einen massiven Angriff Russlands im Osten der Ukraine und will ihre gemeinsame Militärhilfe für das Land deshalb auf 1,5 Milliarden Euro aufstocken. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell begründete dies am Montag beim Außenministertreffen in Luxemburg mit einer drohenden Verschärfung des Krieges "in den kommenden Tagen". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, die Ukraine brauche schwere Waffen und es gebe "keine Zeit für Ausreden" mehr. Dies wurde als Kritik auch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verstanden.
"Dieser Krieg wird auf dem Schlachtfeld entschieden", hatte Borrell vor dem Außenminister-Treffen auf Twitter geschrieben. Deshalb müsse die EU der Ukraine die Waffen liefern, die sie zur Abwehr der russischen Angriffe benötige. Die EU-Außenminister wollten bei ihrem Treffen 500 Millionen Euro zusätzlich auf den Weg bringen. Baerbock signalisierte dafür ihre Zustimmung.
Diplomaten zufolge haben Vertreter der Mitgliedstaaten die Aufstockung bereits gebilligt. Bisher hatten EU-Länder der Ukraine aus einem gemeinsamen Fonds bereits für eine Milliarde Euro Waffen geliefert oder in Aussicht gestellt. In Deutschland und Schweden muss noch das Parlament der Erhöhung der Mittel zustimmen.
Nach Einschätzung vieler EU-Staaten drängt die Zeit: Sie glauben, dass der russische Präsident Wladimir Putin bei der jährlichen Moskauer Siegesfeier über Nazi-Deutschland am 9. Mai einen militärischen Triumph zelebrieren will. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn sagte, Putin brauche "eine Trophäe" und werde alles für einen Sieg in den pro-russischen Gebieten der Ostukraine tun.
Aus Berlin fehlt bisher eine eindeutige Zusage für die Schützenpanzer und anderen schweren Waffen, die Kiew von der Bundesregierung verlangt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nannte es in einem Interview kaum möglich, die Ukraine aus Bundeswehr-Beständen mit Waffen und Material zu versorgen, ohne die deutsche Verteidigungsfähigkeit zu gefährden.
Inmitten der Waffendiskussion versuchte Österreich einen neuen diplomatischen Anlauf: Bundeskanzler Karl Nehammer wurde am Montagnachmittag als erster westlicher Regierungschef seit Beginn des Ukraine-Kriegs in Moskau erwartet. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte dazu in Luxemburg, Nehammer wolle mit Putin unter anderem über Fluchtmöglichkeiten für Zivilisten etwa aus der belagerten Stadt Mariupol im Südosten der Ukraine beraten.
Schallenberg betonte, es müsse alles versucht werden, "um die humanitäre Hölle in der Ukraine zu beenden". Zudem wolle Nehammer dem russischen Staatschef verdeutlichen, wie "die Realität sich außerhalb der Mauern des Kremls wirklich darstellt".
Die Bundesregierung begrüßte die Initiative, die mit Scholz und den EU-Spitzen abgesprochen war. Tschechien warnte dagegen vor "Naivität" gegenüber dem russischen Staatschef. Die schwedische Außenministerin Ann Linde rief Nehammer auf, die "Kriegsverbrechen unter Putins Verantwortung" klar anzusprechen.
Bei dem EU-Treffen in Luxemburg ging es auch erneut um ein Öl- und Gas-Embargo gegen Russland, das die Regierung in Kiew sowie Polen und die Baltenstaaten schon länger fordern. Erst am Freitag hatten die EU-Staaten ein Importverbot für russische Kohle und weitere Sanktionen besiegelt.
Deutschland, die Niederlande und Schweden sagten zudem insgesamt rund 2,5 Millionen Euro zusätzlich für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag zu. Damit sollen die Ermittlungen über mutmaßlich russische Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg vorangetrieben werden. Die Außenminister waren zu Beginn ihres Luxemburger Treffens mit dem Haager Chefankläger Karim Khan zusammengekommen.
(A.Monet--LPdF)