Offene Kritik aus Ampel-Koalition an Scholz im Streit um Waffenlieferungen
In der Debatte um die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine wird die Kritik aus der Ampel-Koalition an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) immer deutlicher. "Das Problem ist im Kanzleramt", sagte der Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter. Auch aus der FDP kam der Vorwurf der Zögerlichkeit an Scholz. Die Äußerungen führten zu einem Schlagabtausch mit SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich.
Hofreiter warf Scholz mangelnde Führung in der Ukraine-Politik vor. Der Kanzler spreche von "Zeitenwende, aber er setzt sie nicht ausreichend um und da braucht es deutlich mehr Führung", sagte Hofreiter am Mittwochabend in der Sendung RTL Direkt. Der Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Bundestag warnte vor einem Imageschaden für Deutschland: "Wir verlieren gerade massiv Ansehen bei all unseren Nachbarn."
Erneut forderte Hofreiter, dass Deutschland schnellstmöglich schwere Waffen in die Ukraine liefern müsse. "Es fällt mir überhaupt nicht leicht, schwere Waffen zu fordern, aber es ist so ein brutaler Vernichtungskrieg und ich sage es ganz offen, wir wollen jetzt maximalen Druck entfalten, damit sich die Politik der Bundesregierung ändert", sagte der Grünen-Politiker.
Die Grünen-Führung setzte sich von Hofreiters Kritik an Scholz ab. In der Regierung seien alle "sehr eng beieinander", sagte der Grünen-Bundesvorsitzende Omid Nouripour. Hofreiters Äußerungen seien "nicht die von Bündnis90/Die Grünen".
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack Zimmermann (FDP), kritisierte ihrerseits eine zögerliche Haltung von Scholz bei der Waffenfrage. Auf die Frage, ob im Kanzleramt ein Zauderer sitze, antwortete sie im Deutschlandfunk mit "Ja". Sie glaube, dass Scholz "zu vorsichtig ist an der Stelle". Strack-Zimmermann verwies auf die erwartete Großoffensive Russlands im Osten und Süden der Ukraine. Dieser Krieg lasse keine Zeit "zu zaudern".
"Einfache Antworten, auch bei der Lieferung von schwerem Kriegsgerät an die Ukraine, gibt es nicht", konterte SPD-Fraktionschef Mützenich in einer Mitteilung. "Wer das behauptet, handelt verantwortungslos."
Die Bilder und Berichte über den russischen Angriffskrieg seien "schrecklich und verstörend", erklärte Mützenich und verwies auf die jüngste Reise von Hofreiter und Strack-Zimmermann in die Ukraine: Es könne richtig sein, sich davon vor Ort ein Bild zu machen. "Unter diesem Eindruck allerdings bisher beispiellose Entscheidungen zu fordern, ohne sie selbst verantworten zu müssen, ist falsch."
Strack-Zimmermann warf Mützenich daraufhin auf Twitter vor, er habe die von Scholz selbst ausgerufene "Zeitenwende" nicht verstanden. "Er kann nicht akzeptieren, dass ein altes, starres Weltbild zusammengebrochen ist." Aufgabe von Parlamentariern sei es zudem, die Regierung zu kontrollieren - "egal, ob Regierungspartei oder Opposition".
Die Ukraine fordert seit Wochen von Deutschland die Lieferung insbesondere von Panzern. Auch der frühere SPD-Vorsitzende und ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping befürwortete nun eine Lieferung schwerer Waffen. Diese scheine ihm "geboten", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" vom Donnerstag. "Das macht militärisch aber nur Sinn, wenn die Ukrainer diese Waffen auch benutzen können - und wenn Nachschub, Wartung und damit die Einsatzfähigkeit gesichert werden."
(H.Leroy--LPdF)