Vier Migranten im Ärmelkanal ums Leben gekommen - Kleines Kind zu Tode getrampelt
Vier Migranten, darunter ein kleines Kind, sind bei der versuchten Überquerung des Ärmelkanals von Frankreich nach Großbritannien ums Leben gekommen. "Erneut sind mehrere Migranten gestorben, als sie versuchten, Großbritannien auf dem Seeweg über den Ärmelkanal zu erreichen", teilte die Präfektur Pas-de-Calais in Nordfrankreich am Samstag mit. Frankreichs Innenminister Retailleau erklärte, das zweijährige Kind sei bei dem "entsetzlichen Drama" zu Tode getrampelt worden.
Die Menschen kamen nach Angaben der Behörden bei zwei verschiedenen Vorfällen zu Tode. Das Kind wurde demnach in einem mit fast 90 Menschen völlig überfüllten Schlauchboot gefunden. Als die Beamten eintrafen, gab es demnach kein Lebenszeichen mehr von sich. Der kleine Junge konnte nicht mehr gerettet werden. Nach Angaben des Staatsanwalts von Boulogne-sur-Mer, Guirec Le Bras, handelte es sich bei dem Zweijährigen um das in Deutschland geborene Kind einer somalischen Mutter.
Zuvor hatten die Insassen des Schlauchbootes am Samstagmorgen einen Hilferuf abgesetzt. Nach Angaben der Behörden hatte das Boot vor der Küste von Boulogne-sur-Mer in Nordfrankreich einen Motorschaden erlitten.
Nach Angaben der Präfektur nahm das französische Schleppschiff "Abeille Normandie" am Samstagmorgen 14 Menschen aus dem verunglückten Schlauchboot auf. Ein 17-jähriger Jugendlicher wurde demnach verletzt in ein Krankenhaus gebracht.
Der Präfekt von Pas-de-Calais, Jacques Billant, kritisierte, dass die von den Migranten verwendeten Schlauchboote von schlechter Qualität seien und nicht genügend Schwimmwesten für alle an Bord bereithielten. Die Menschenhändler zögerten nicht, "kleine Kinder von ihren Eltern zu trennen".
Bei einem weiteren Bootsunglück fanden die Rettungsteams nach Angaben der Präfektur die Leichen von drei Erwachsenen. Den Behörden zufolge hatte das Boot vor der Küste von Calais ebenfalls einen Motorschaden erlitten. In der daraufhin einsetzenden Panik fielen demnach mehrere Menschen über Bord und mussten gerettet werden.
Bei den Toten handele es sich um zwei Männern und eine Frau im Alter von etwa 30 Jahren, hieß es weiter. Die drei Migranten seien im Wasser am Boden des Bootes "wahrscheinlich zerquetscht worden, erstickt und ertrunken". Nach Angaben der Staatsanwaltschaft stammte eines der erwachsenen Opfer aus Vietnam, die beiden anderen waren demnach "afrikanischer Herkunft".
Frankreichs Innenminister Retailleau sprach angesichts der vier Toten von einem "entsetzlichen Drama". "Die Schmuggler haben das Blut dieser Menschen an ihren Händen und unsere Regierung wird den Kampf gegen die Banden verstärken, die sich durch die Organisation dieser tödlichen Überfahrten bereichern", sagte Retailleau.
Ähnlich entsetzt äußerte sich die britische Innenministerin Yvette Cooper. Es sei "fürchterlich, dass heute weitere Menschen im Ärmelkanal ums Leben gekommen sind, darunter auch ein kleines Kind, während kriminelle Schmugglerbanden weiterhin diese gefährlichen Bootsüberfahrten organisieren", erklärte sie im Onlinedienst X. "Den Banden ist es egal, ob Menschen leben oder sterben - dies ist ein schrecklicher Handel mit Menschenleben."
Die Zahl der Überfahrten von Migranten in kleinen Booten über den Ärmelkanal nach Großbritannien hat seit 2018 trotz wiederholter Warnungen vor der gefährlichen Reise stark zugenommen. Allein seit Anfang des Jahres sind 25.000 Migranten in Großbritannien angekommen. Mit den nun ums Leben gekommenen Migranten stieg die Zahl der bei der versuchten Überfahrt ums Leben gekommenen Menschen auf mindestens 51.
Frankreichs neuer Premierminister Michel Barnier hatte am Dienstag erklärt, das Land brauche eine strengere Einwanderungspolitik. Er versprach, "schonungslos" gegen Menschenhändler vorzugehen, die seiner Ansicht nach "Elend und Verzweiflung" ausnutzen und Menschen auf die gefährliche Reise schicken.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte am Samstag: "Die Schwierigkeit im Moment ist, wie wir es schaffen, gegen die Menschenhändler und die illegalen Einwanderungsnetze zu kämpfen." Die Einwanderung an sich sei aber nicht unbedingt etwas "Schlechtes", fügte er hinzu.
Die Hilfsorganisation Utopia 56 forderte eine Kursänderung der Politik. "Um diesen Tragödien ein Ende zu setzen, muss der Staat sein Vorgehen ändern", erklärte die Organisation. Die staatlichen Behörden sollten sich aus ihrer Sicht an den humanitären Rettungsaktionen im Meer beteiligen und zugleich die Aufnahmepolitik gegenüber Migranten in Frankreich ändern.
(O.Agard--LPdF)