Karlsruhe verhandelt über Beschwerde von FDP-Politikern gegen Solidaritätszuschlag
Sozialverträgliche Abgabe für wichtige Staatsaufgaben versus unzulässige "Reichensteuer" - der Solidaritätszuschlag hat am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt. Es verhandelte über eine Verfassungsbeschwerde von Politikerinnen und Politikern der FDP. Sie wollen erreichen, dass der noch verbliebene Zuschlag, den nur noch Gutverdienende und Unternehmen zahlen, für verfassungswidrig erklärt wird. (Az. 2 BvR 1505/20)
Ursprünglich wurde der sogenannte Soli eingeführt, um nach der deutschen Wiedervereinigung die Kosten für den Aufbau Ost zu bewältigen. Die Einnahmen kommen allein dem Bund zugute. Ende 2019 lief der Solidarpakt aus. Seit 2021 ist der Solidaritätszuschlag für die meisten abgeschafft - aber eben nicht für alle.
Im Jahr 2024 muss den vollen Satz zahlen, wer als Single ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von etwa 104.000 Euro hat, wie die Berichterstatterin, Verfassungsrichterin Rhona Fetzer, in Karlsruhe ausführte. Auch Anleger zahlen den Soli auf Kapitaleinkünfte wie etwa Dividenden aus Aktien. Nach Angaben des als arbeitgebernah geltenden Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zahlten zuletzt noch rund sechs Millionen Menschen die Abgabe, hinzu kamen schätzungsweise 600.000 Kapitalgesellschaften.
Dass es den Soli in abgespeckter Form noch gibt, stört vor allem die FDP, die für eine völlige Abschaffung plädiert. Politisch fand sie 2019 keine Mehrheit dafür. 2020 wandten sich sechs damalige FDP-Bundestagsabgeordnete - darunter der heutige Fraktionsvorsitzende Christian Dürr - mit einer Verfassungsbeschwerde an das Gericht. Sie finden, dass das Solidaritätszuschlaggesetz sie in ihrem Recht auf Eigentum verletzt. Außerdem sehen sie ein Problem darin, dass nur ein Teil der zuvor Abgabepflichtigen den Zuschlag noch zahlt.
Ursprünglich wurde der Soli mit einem erhöhten Finanzbedarf durch die Wiedervereinigung begründet. Auch Ende 2019 argumentierte die damalige Bundesregierung mit einem weiter bestehenden Mehrbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung. "Die Bewältigung der finanziellen Folgen der Einheit ist noch nicht abgeschlossen", sagte der Bevollmächtigte der Bundesregierung, Kyrill-Alexander Schwarz, in Karlsruhe.
Für die Beschwerdeführenden von der FDP sagte dagegen ihr Bevollmächtigter Henning Berger, dass es eine "neue Normallage" gebe. Mit dem Auslaufen des Solidarpakts seien die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung des Zuschlags entfallen.
Zentral ist die Frage, ob eine sogenannte Ergänzungsabgabe vom Bund überhaupt nur für den einen Zweck erhoben werden darf, für den sie ursprünglich gedacht war. Mit der maroden Infrastruktur, dem Ukraine-Krieg und der Klimakrise stehen für den Bund weitere große Aufgaben an, wie der Grünen-Bundestagsabgeordnete Andreas Audretsch auflistete.
Der SPD-Politiker Michael Schrodi warf die Frage auf, ob es eine sinnvolle Alternative zum Soli gebe. Wenn der Bund Geld brauche und etwa die Einkommensteuer erhöhe, würde das Geld auch auf Länder und Kommunen verteilt. Somit stiege die Belastung für Bürgerinnen und Bürger, um genug für den Bund zusammenzubekommen, argumentierte er. Kleine und mittlere Einkommen würden bereits hoch belastet und sollten entlastet werden.
Auch in Berlin wurde am Dienstag über den Soli diskutiert. Statt ihn zu streichen, "sollten die Wohlhabenden durch eine Vermögensabgabe viel stärker in die Verantwortung genommen werden", forderte Linken-Chefin Ines Schwerdtner.
Dürr war nicht zur Verhandlung gereist und sagte vor einer Fraktionssitzung der FDP: "Mir wäre es lieber, dass der deutsche Bundestag die Kraft findet, den Soli abzuschaffen, bevor ein Urteil aus Karlsruhe kommt."
Die Verhandlung war am Dienstagmittag noch nicht beendet. Ein Urteil sollte am Dienstag noch nicht fallen. Es wird meist nach einigen Monaten verkündet.
(C.Fontaine--LPdF)