Scholz kündigt bei Besuch in Kiew umfangreiche Rüstungslieferungen an die Ukraine an
Mit einem überraschenden Besuch in Kiew und der Ankündigung umfangreicher und schneller Rüstungslieferungen hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) der Ukraine Deutschlands anhaltende Unterstützung versichert. Bei seinem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj werde er "weitere Rüstungsgüter mit einem Wert von 650 Millionen Euro ankündigen, die noch im Dezember geliefert werden sollen", erklärte Scholz am Montag zum Auftakt seines eintägigen Besuchs in Kiew. Bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs bleibe Deutschland "der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa".
"Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen - wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen", versicherte Scholz in Kiew. Er würdigte, dass die Ukraine sich seit mehr als 1000 Tagen "auf heldenhafte Art und Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg" vereidige.
Scholz war Montagfrüh mit dem Zug zu dem vorab nicht angekündigten Besuch in Kiew eingetroffen. Es ist der zweite Besuch des Kanzlers seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022. Den ersten hatte Scholz im Juni 2022 mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und dem damaligen italienischen Regierungschef Mario Draghi unternommen, um ein klares Zeichen für eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine zu setzen.
Deutschland ist nach den USA der größte Unterstützer der Ukraine mit Militärhilfen. Dennoch sieht sich Scholz immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, die Ukraine zu zögerlich zu unterstützen. So wurde er wiederholt vergeblich gedrängt, deutsche Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern.
Die Taurus-Debatte war wieder aufgeflammt, nachdem die USA Kiew vor zwei Wochen die Erlaubnis erteilt hatten, US-Raketen vom Typ ATACMS gegen Ziele auch im russischen Hinterland einzusetzen. Die Taurus-Marschflugkörper haben eine noch größere Reichweite als die ATACMS.
Für Kritik und Unverständnis in Kiew und der EU hatte Mitte November zudem gesorgt, dass Scholz erstmals seit fast zwei Jahren wieder ein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin führte. Der ukrainische Präsident Selenskyj warf Scholz daraufhin vor, "die Büchse der Pandora" zu öffnen.
Die Ukraine steht stark unter Druck. Im Osten des Landes erzielt die russische Armee seit Monaten stetig Geländegewinne. Die Ungewissheit für die Ukraine wird zudem durch den im Januar anstehenden Wiedereinzug von Donald Trump ins Weiße Haus erhöht. Der designierte US-Präsident steht den Milliardenhilfen für die Ukraine ablehnend gegenüber.
In den vergangenen Tagen verschärfte sich der Ukraine-Krieg weiter. Als Antwort auf die ukrainischen Angriffe mit ATACMS-Raketen setzte Russland am 21. November erstmals eine neuartige Hyperschallrakete vom Typ Oreschnik in dem Krieg ein, beschossen wurde damit die Großstadt Dnipro. Auch überzieht die russische Armee die Ukraine verstärkt mit breitangelegten Luftangriffen.
Auch in der Nacht zu Montag griff Russland die Ukraine mit 110 Drohnen an, wie die ukrainischen Behörden mitteilten. Dabei seien in der bislang weitgehend verschonten Stadt Ternopil im Westen des Landes ein 45-jähriger Mann getötet und drei weitere Menschen verletzt worden.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nutzte am Montag einen Besuch in Peking, um für eine chinesische Rolle bei der Beendigung des Ukraine-Kriegs zu werben. Sie habe dies gerade deshalb getan, weil Deutschland und China "aus unterschiedlichen Perspektiven" kämen, sagte Baerbock nach einem Treffen mit ihrem chinesischen Amtskollegen Wang Yi vor Journalisten.
Vor ihrem Abflug nach Peking hatte Baerbock Chinas Rolle im Ukraine-Krieg kritisiert. Die Volksrepublik stelle sich "mit seiner Wirtschafts- und Waffenhilfe für Russland gegen unsere europäischen Kerninteressen", erklärte sie. Die Bundesregierung könne in ihren Beziehungen zu China "nicht einfach ausblenden", dass Russlands "brutaler Angriffskrieg gegen die Ukraine" den Frieden in Deutschland "ganz unmittelbar" bedrohe.
Der frühere Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss derweil vorübergehende Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland für eine schnelle Beendigung des Krieges nicht aus. "Wenn die Waffenstillstandslinie bedeutet, dass Russland weiterhin alle besetzten Gebiete kontrolliert, heißt das nicht, dass die Ukraine das Gebiet für immer aufgeben muss", sagte der künftige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) dem Portal "Table.Briefings". Wichtig sei, dass die Regierung in Kiew im Gegenzug für vorübergehende Gebietsabtretungen Sicherheitsgarantien erhalte.
Das könnte die Nato-Mitgliedschaft sein, es gebe aber auch "andere Möglichkeiten, die Ukrainer zu bewaffnen und zu unterstützen", sagte Stoltenberg. Selenskyj hatte am Freitag von den westlichen Verbündeten Nato-Schutz für die von Kiew kontrollierten Teile des Landes gefordert - und Bereitschaft signalisiert, im Gegenzug mit der Rückerlangung der russischen besetzten Gebiete zu warten.
(A.Monet--LPdF)