Rumänien nach Parlamentswahl vor ungewisser politischer Zukunft
Nach der Parlamentswahl in Rumänien scheint die politische Zukunft des Landes ungewiss: Nach Auszählung fast aller Stimmzettel am Montag wurden die regierenden Sozialdemokraten, die bisher mit der liberal-konservativen PNL regieren, mit 22 Prozent zwar erneut stärkste Kraft. Allerdings kamen mehrere ultrarechte Parteien zusammen auf mehr als 32 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 52 Prozent so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren.
Die ultrarechten Parteien, die sich gegen eine Unterstützung der Ukraine und für eine Verteidigung "christlicher Werte" aussprechen, konnten somit deutliche Zugewinne erzielen: Bei der Parlamentswahl 2020 hatten sie zusammen noch weniger als zehn Prozent der Stimmen geholt.
Der sozialdemokratische Regierungschef Marcel Ciolacu sagte, mit dem Wahlergebnis hätten die Menschen in Rumänien "ein wichtiges Signal" gesetzt und sich dafür ausgesprochen, "den europäischen Weg fortzusetzen, aber auch unsere Identität und unsere nationalen Werte zu schützen".
Die Mitte-Rechts-Partei USR von Elena Lasconi, die bei der Präsidentschaftswahl eine Woche zuvor knapp auf dem zweiten Platz landete und damit in die Stichwahl einzog, erhielt den Teilergebnissen zufolge 12,4 Prozent.
Die Parlamentswahl in Rumänien wurde von der Präsidentschaftswahl eine Woche zuvor überschattet. Am 24. November hatte der rechtsradikale und russlandfreundliche Kandidat Calin Georgescu überraschend die erste Runde gewonnen. Ministerpräsident Ciolacu, der das Präsidentenamt anstrebte, landete nur auf dem dritten Platz und zog damit nicht in die Stichwahl am 8. Dezember ein. Das Oberste Gericht ordnete allerdings eine Neuauszählung der Stimmen an.
Mehrere Politiker kündigten angesichts der zersplitterten Parteienlandschaft an, eine pro-europäische "Regierung der nationalen Einheit" zu unterstützen. "Vereint können wir Wunder tun", sagte Lasconi vor Unterstützern. Die Parteien sollten ihre politischen Differenzen beiseite legen, um "die Demokratie in Rumänien" zu verteidigen und in der EU und in der Nato zu bleiben.
Die Parlamentswahl habe nicht zu einer "Klärung" der Situation beigetragen, sagte der Politikwissenschaftler Cristian Pirvulescu. "Wir sehen ein außergewöhnlich zersplittertes Parlament, wodurch zahlreiche Risiken entstehen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Dies deute auf schwierige Verhandlungen zur Regierungsbildung hin.
Die ultrarechte Partei Allianz für die Einheit der Rumänen (AUR) kam den Teilergebnissen zufolge auf 18 Prozent. Ihr Parteichef George Simion sprach von einem "Beginn einer neuen Ära, in der die Rumänen ihr Recht zurückerobern, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden".
Die ebenfalls zum ultrarechten Lager gehörende Partei SOS Rumänien der pro-russischen Kandidatin Diana Sosoaca und die neue Partei der Jugend (POT) kamen jeweils auf über fünf Prozent und dürften somit ins Parlament einziehen.
Bislang hatte sich das 19-Millionen-Einwohner-Land Rumänien einem Rechtsruck widersetzt. Experten zufolge hat die Wut über die steigende Inflation und die Angst davor, in den Krieg im Nachbarland Ukraine hineingezogen zu werden, jedoch zugenommen.
Es gab Spekulationen, dass die Parlamentswahl und die zweite Runde der Präsidentschaftswahl auch zu einem Kurswechsel in der Außenpolitik insbesondere mit Blick auf die Ukraine und Russland führen könnten. Das EU- und Nato-Land Rumänien hat angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine eine große strategische Bedeutung, 5000 Nato-Soldaten sind in Rumänien stationiert.
(H.Duplantier--LPdF)