WHO und Rotes Kreuz äußerst besorgt um Gesundheitsversorgung im Norden des Gazastreifens
Nach der Erstürmung des Kamal-Adwan-Krankenhauses durch die israelische Armee haben die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Rote Kreuz sich äußerst besorgt über die gesundheitliche Versorgung im Gazastreifen geäußert. "Krankenhäuser im Gazastreifen sind erneut zu Schlachtfeldern geworden und das Gesundheitssystem ist ernsthaft bedroht", erklärte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf. Nach Einschätzung des Roten Kreuzes ist im Norden des Palästinensergebiets das Gesundheitssystem durch den Gaza-Krieg bereits "ausgelöscht".
Das Kamal-Adwan-Krankenhaus im nördlichen Gazastreifen sei "nach dem Angriff, der erzwungenen Evakuierung der Patienten und des Personals sowie der Festnahme seines Direktors außer Betrieb", kritisierte Tedros. Das letzte funktionstüchtige Krankenhaus in dem vom Krieg verwüsteten Norden des Palästinensergebiets war von Abu Safijeh geleitet worden, bis die Klinik am Freitag und Samstag von der israelischen Armee gestürmt wurde. "Wir fordern seine umgehende Freilassung", schrieb WHO-Chef Tedros mit Blick auf Abu Safijeh im Onlinedienst X.
Nach WHO-Angaben war das Krankenhaus in der Stadt Beit Lahia nach dem Angriff vollständig geräumt worden. Patienten und Personal seien in ein anderes Krankenhaus gebracht worden, das aber nicht über die notwendige Ausrüstung für ihre Behandlung verfüge.
Die israelische Armee hatte ihrerseits am Sonntag erklärt, bei einem Einsatz gegen ein "Kommandozentrum der Hamas" in dem Krankenhaus seien etwa 20 Kämpfer getötet und mehr als 240 "Terroristen" gefangen genommen worden. Die Armee bestätigte auch die Festnahme des Krankenhausdirektors, der verdächtigt werde, ein Hamas-Mitglied zu sein. Zu seinem Verbleib machte Israel keine Angaben.
Tedros erklärte, in Lebensgefahr schwebende Patienten aus dem Kamal-Adwan-Krankenhaus seien in das Indonesische Krankenhaus verlegt worden, welches jedoch ebenfalls "nicht mehr funktioniert".
Die WHO und ihre Partner hätten am Montag medizinische Grundversorgung, Lebensmittel und Wasser an das Indonesische Krankenhaus geliefert. Zehn in Lebensgefahr schwebende Patienten seien in das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza verlegt worden. Sieben Patienten und 15 medizinische Mitarbeiter befänden sich jedoch weiterhin in dem "schwer beschädigten" Indonesischen Krankenhaus.
"Wir wiederholen: Stoppt die Angriffe auf Krankenhäuser", erklärte Tedros an Israel gerichtet. "Die Menschen im Gazastreifen brauchen Zugang zu medizinischer Versorgung. Humanitäre Helfer müssen Zugang haben, um medizinische Hilfe leisten zu können."
Seit Oktober konzentrieren sich die israelischen Einsätze im Gazastreifen auf den Norden des Palästinensergebiets. Nach offiziellen Angaben zielt die Offensive zu Lande und aus der Luft darauf ab, eine Neuorganisation und ein Wiedererstarken der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas zu vermeiden.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) warnte am Montag in Genf, durch die anhaltenden Kämpfe zwischen der Hamas und der israelischen Armee seien die Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens absolut "nicht mehr betriebsbereit". "Wiederholte Kämpfe in und rund um Krankenhäuser haben das Gesundheitssystem im nördlichen Gazastreifen ausgelöscht und Zivilisten dem inakzeptabel großen Risiko ausgesetzt, ohne lebensrettende Versorgung da zu stehen", hieß es in der IKRK-Erklärung.
Die Hilfsorganisation rief zum Schutz medizinischer Einrichtungen im Gazastreifen auf, um internationalem Recht sowie einem "moralischen Imperativ zum Schutz menschlichen Lebens" gerecht zu werden.
Das IKRK verwies darauf, dass der Betrieb des Kamal-Adwan-Krankenhauses sowie des Indonesischen Krankenhauses im Gazastreifen mittlerweile nicht mehr möglich sei. Dadurch wachse der Druck auf das vom IKRK mit Lieferungen unterstützte Al-Awda-Krankenhaus. Das medizinische Personal sei mit immer mehr Hilfsbedürftigen konfrontiert und leide zugleich unter einem Mangel an medizinischer Ausrüstung, Treibstoff und Lebensmitteln sowie der "zunehmend gefährlichen Lage" im Norden des Gazastreifens.
Der Gaza-Krieg war am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden durch einen Großangriff der Hamas und mit ihr verbündeter militanter Palästinensergruppen. In mehreren Ortschaften, auf einem Musikfestival und als Geiseln im Gazastreifen wurden israelischen Angaben zufolge insgesamt 1208 Menschen getötet, überwiegend Zivilisten. Von den 251 von der Hamas verschleppten Geiseln werden noch 96 im Gazastreifen festgehalten, von denen 34 von Israel offiziell für tot erklärt wurden.
Seit dem Hamas-Angriff geht Israel massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 45.400 Menschen getötet.
(A.Monet--LPdF)