Europarat treibt Vertragsverletzungsverfahren gegen Türkei im Fall Kavala voran
Der Europarat hat das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei wegen der unrechtmäßigen Inhaftierung des Kulturförderers Osman Kavala weiter vorangetrieben. Das Ministerkomitee der Straßburger Organisation habe dafür gestimmt, den Fall erneut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vorzulegen, teilte das türkische Außenministerium am Mittwoch mit.
Ein Sprecher des Europarats wollte sich unter Verweis auf eine für Donnerstag geplante Stellungnahme nicht dazu äußern. Eine mit dem Fall vertraute Quelle in Straßburg bestätigte die Angaben aus Ankara jedoch.
Der EGMR hatte 2019 Kavalas Freilassung angeordnet, das Urteil wurde jedoch von der türkischen Regierung ignoriert. Der Europarat hatte daraufhin im Dezember ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei eingeleitet. Eine Frist zur Freilassung Kavalas ignorierte Ankara erneut. Mitte Januar ordnete ein türkisches Gericht an, dass der Kulturförderer in Haft bleibt.
Der EGMR wird nun prüfen, ob die Türkei sein Urteil aus dem Jahr 2019 umgesetzt hat. Im Anschluss entscheidet das Ministerkomitee über weitere Schritte. Die Türkei könnte dann ihr Stimmrecht oder sogar ihre Mitgliedschaft im Europarat verlieren. Das türkische Außenministerium warf dem Ministerkomitee vor, sich in "die Unabhängigkeit von Gerichtsverfahren" in der Türkei einzumischen.
Kavala sitzt seit mehr als vier Jahren ohne Verurteilung in Haft. Ihm wird vorgeworfen, die gegen die Regierung gerichteten Gezi-Proteste im Jahr 2013 finanziert zu haben. Außerdem soll er an einem Putschversuch gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan im Jahr 2016 beteiligt gewesen sein. Kavala bestreitet die Vorwürfe.
Es ist erst das zweite Mal in der Geschichte des Europarats, dass ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat eingeleitet wurde. 2017 hatte der Europarat ein solches Verfahren gegen Aserbaidschan wegen der Inhaftierung des Oppositionellen Ilgar Mammadow auf den Weg gebracht.
(C.Fournier--LPdF)