Le Pays De France - Oberstes US-Gericht kippt in historischer Entscheidung Recht auf Abtreibung

Paris -
Oberstes US-Gericht kippt in historischer Entscheidung Recht auf Abtreibung

Oberstes US-Gericht kippt in historischer Entscheidung Recht auf Abtreibung

Historische Zäsur in den USA: Der Oberste Gerichtshof des Landes hat das seit fünf Jahrzehnten geltende Recht auf Abtreibung gekippt. Mit seiner konservativen Richtermehrheit hob der Supreme Court am Freitag das Grundsatzurteil "Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973 auf, das Schwangerschaftsabbrüche legalisiert hatte. Während Abtreibungsgegner und Konservative die Entscheidung bejubelten, sprach Präsident Joe Biden von einem "tragischen Fehler" - die USA stehen vor einer weiteren gesellschaftlichen Zerreißprobe.

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Der Supreme Court hatte 1973 in einer bahnbrechenden Entscheidung ein verfassungsmäßiges Recht auf Abtreibung verankert und Schwangerschaftsabbrüche damit landesweit legalisiert. Konservative Politiker und Aktivisten kämpften aber seit Jahrzehnten gegen das Grundsatzurteil an. Ihre Erfolgschancen stiegen, als Ex-Präsident Donald Trump in seiner Amtszeit drei neue Verfassungsrichter ernannte. Konservative Juristen stellen am Supreme Court nun eine klare Mehrheit von sechs der neun Richter.

Vor dem Obersten Gerichtshof in Washington brachen Abtreibungsgegner in Jubel aus, als die Entscheidung bekannt wurde. Trump feierte das Urteil als Entscheidung Gottes. "Gott hat das entschieden", sagte der Ex-Präsident im Sender Fox News. Sein ehemaliger Vizepräsident Mike Pence erklärte, das Recht auf Abtreibung gehöre "auf den Müllhaufen der Geschichte". Die Richter hätten "ein historische Unrecht korrigiert", sagte der erzkonservative Abtreibungsgegner.

Präsident Biden und andere Politiker der Demokraten reagierten dagegen entsetzt. Biden sagte in einer Ansprache im Weißen Haus, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei ein "tragischer Fehler", der auf eine "extreme Ideologie" zurückgehe. "Die Gesundheit und das Leben der Frauen dieses Landes sind jetzt in Gefahr", warnte er.

Die demokratische Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, sprach von einem "grausamen" und "ungeheuerlichen" Urteil. Das Gericht habe Frauen damit einen "Schlag ins Gesicht" versetzt. Ex-Präsident Barack Obama nannte die Gerichtsentscheidung einen Angriff auf die "Grundfreiheiten" der US-Bürger.

Durch die Entscheidung des Supreme Court wird in den USA die rechtliche Situation von vor 50 Jahren wieder hergestellt: Schwangerschaftsabbrüche sind zwar nicht automatisch illegal, den einzelnen US-Bundesstaaten steht es jedoch frei, Schwangerschaftsabbrüche zu erlauben, sie einzuschränken oder gänzlich zu verbieten.

In 26 konservativ regierten Bundesstaaten werden nun verschärfte Gesetze erwartet. In Missouri unterzeichnete Justizminister Eric Schmitt noch am Freitag ein Abtreibungsverbot. Damit sei Missouri der erste Bundesstaat, "der Abtreibungen wirksam ein Ende setzt", erklärte er auf Twitter. 13 Staaten wie etwa South Dakota hatten schon vor der Entscheidung des Supreme Court Gesetze vorbereitet, die nach dem Urteil in Kraft treten sollten.

Viele Frauen sind damit künftig gezwungen, in andere Bundesstaaten zu reisen, wenn sie eine Abtreibung vornehmen lassen wollen. Für viele dürfte das unter anderem aus finanziellen Gründen sehr schwierig werden.

Die von den Demokraten regierten Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington kündigten an, das Recht auf Abtreibung zu verteidigen. Auch der wichtigste Anbieter von Schwangerschaftsabbrüchen in den USA, Planned Parenthood, kündigte an, den Kampf für das Recht auf Abtreibungen "niemals" aufzugeben.

Das Abtreibungsrecht ist eines der umstrittensten gesellschaftspolitischen Themen in den USA. Es dürfte nach dem Supreme-Court-Urteil eine wichtige Rolle im Wahlkampf für die Kongress-Zwischenwahlen im November einnehmen. Die auf eine schwere Wahlschlappe zusteuernden Demokraten werden versuchen, mit einem Kampf für das Abtreibungsrecht Wähler zu mobilisieren. Biden rief in seiner Ansprache dazu auf, weiter "friedlich" für das Recht auf Abtreibung zu kämpfen und bei den Zwischenwahlen auch an der Wahlurne zu entscheiden.

(R.Dupont--LPdF)