Le Pays De France - Bundesverfassungsgericht billigt Masernimpfpflicht in Kitas und Schulen

Paris -
Bundesverfassungsgericht billigt Masernimpfpflicht in Kitas und Schulen
Bundesverfassungsgericht billigt Masernimpfpflicht in Kitas und Schulen / Foto: © AFP/Archiv

Bundesverfassungsgericht billigt Masernimpfpflicht in Kitas und Schulen

Zweieinhalb Jahre nach Einführung der Masernimpfpflicht in Kitas und Schulen hat das Bundesverfassungsgericht die Maßnahme endgültig gebilligt. Die Impfpflicht und das damit verbundene Betreuungsverbot bei einer Verweigerung seien zum Schutz der Bevölkerung vor der Krankheit "im verfassungsrechtlichen Sinne erforderlich", erklärte das Gericht in dem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss. Regierung und Kinderärzte sprachen von einem Urteil im Sinn der Kinder.

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Mit seiner Entscheidung lehnte das Gericht mehrere Verfassungsbeschwerden von Eltern ungeimpfter Kinder ab, die gegen die Impfpflicht vorgegangen waren. Bereits im Mai 2020 hatte das Gericht die Maßnahme im vorgeschalteten Eilverfahren vorläufig bestätigt und eine Aussetzung abgelehnt. Der nun veröffentlichte Beschluss im zugehörigen sogenannten Hauptsacheverfahren ist abschließend.

Die Masernimpfpflicht wurde zum 1. März 2020 eingeführt, um den Schutz gegen die hochansteckende Virusinfektion zu verbessern. Für Kinder ab einem Jahr ist der Besuch von Kitas oder einer Tagesbetreuung seither nur nach Vorlage eines Impf- oder Immunitätsnachweises erlaubt. Für Jüngere gibt es keinen Impfstoff. Die Impfpflicht gilt zugleich auch für die Beschäftigten.

Die Vorgabe gilt auch in Schulen. Ein Ausschluss von ungeimpften Kindern ist dort wegen der gesetzlichen Schulpflicht aber unmöglich. Die Schulen informieren jedoch die Gesundheitsämter, es drohen Bußgelder für Eltern.

Der Gesetzgeber habe dem Schutz der durch eine Maserninfektion gefährdeten Menschen "ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht" Vorrang vor den Interessen der Kläger und ihrer Kinder eingeräumt, erklärte das Gericht mit Blick auf die Regelung im Infektionsschutzgesetz. Die damit verbundenen Eingriffe in Elternrecht sowie körperliche Unversehrtheit seien verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Folgen bei Nichtbeachtung seien diesen "zuzumuten".

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einer "guten Nachricht für Eltern und Kinder". Eine Masernerkrankung sei für Infizierte wie auch ihr Umfeld "lebensgefährlich", erklärte er in Berlin. Es sei daher Aufgabe des Staats, Maserninfektionen in den Kitas und Schulen zu vermeiden.

Ähnlich äußerten sich der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte. Präsident Thomas Fischbach nannte die Entscheidung per Twitter "ein weises Urteil zum Schutz der Kinder". Alle anderen Maßnahmen zur Steigerung der Impfquote hätten nichts gebracht, ergänzte Fischbach in der "Rheinischen Post". Das Vakzin sei seit Jahrzehnten erprobt und sicher.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin verwies auf eine extreme Ansteckungsgefahr, den potenziell tödlichen Verlauf und das Risiko schwerer Komplikationen wie die Gehirnentzündung SSPE. Diese breche teils erst nach Jahren aus und verlaufe immer tödlich. Die Impfpflicht sei ein "bedeutender Schritt" hin zu mehr Masernprävention, erklärte der Verband.

Die Bildungs- und Erziehungsgewerkschaft GEW begrüßte das Urteil, forderte aber zugleich Unterstützung der Beschäftigten durch die Gesundheitsämter bei der Durchsetzung der Impfpflicht. "Die Kontrolle des Impfstatus darf nicht auf die Lehrenden und Erziehenden in Kitas und Schulen abgewälzt werden", sagte GEW-Bundesvorsitzende Maike Finnen der "Rheinischen Post".

Das Verfassungsgericht stufte sowohl die Maserinimpfpflicht als auch das daraus folgende Betreuungsverbot bei Verweigerung als verfassungsrechtlich angemessen und verhältnismäßig ein. Die Masernimpfpflicht diene "dem Schutz eines überragend wichtigen Rechtsguts" in Form des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit anderer Menschen. Aus diesem leite sich eine staatliche Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Dritten wie Säuglingen ab.

Das Gericht stellte seine Billigung zugleich aber unter den Vorbehalt einer verfassungskonformen Auslegung. Dies bezieht sich auf die Frage, ob die Pflicht auch gilt, wenn nur ein Kombinationsimpfstoff zur Verfügung steht. Laut Gericht ist das der Fall, solange es sich bei dem Mehrfachimpfstoff um ein Vakzin handelt, das zusätzlich nur gegen Mumps, Röteln und Windpocken wirkt. Das entspricht laut Gericht der Lage bei Verabschiedung des Gesetzes.

Der Beschluss zur Masernimpfpflicht ist das zweite grundlegende Urteil des Verfassungsgerichts zu Fragen der Immunisierung innerhalb weniger Monate. Im Mai billigten die Karlsruher Richterinnen und Richter bereits die Coronaimpfpflicht für Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen.

(C.Fontaine--LPdF)