Lauterbach kritisiert bayerische Ankündigung zu Impfpflicht als gefährlich
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die von Bayern angekündigte Aussetzung der Impfpflicht in der Pflege als "gefährliches Signal" kritisiert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vermittle mit seiner Entscheidung den Eindruck, als beuge er sich den Corona-Protesten auf der Straße, sagte Lauterbach am Dienstag in Berlin. Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Rainer Schlegel, erklärte derweil in Kassel, seiner Einschätzung zufolge könnten die Bundesländer die Impfpflicht nicht aussetzen.
Lauterbach übte scharfe Kritik an Söder. Der Regierungschef aus München sende mit seiner Entscheidung das Signal aus, "der Protest gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf der Straße ist wichtiger als der Schutz der Menschen, die hilflos auf eine gute Versorgung warten", sagte der Minister. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei "keine Schikane" des Personals. "Uns geht es um den Schutz der dort den Mitarbeitern anvertrauten Menschen."
Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) verteidigte am Dienstag die Entscheidung der Landesregierung, die Impfpflicht für Pflegekräfte vorerst nicht umzusetzen. Die Impfpflicht zum 15. März ohne Vorlauf in Kraft zu setzen, würde "ins Chaos führen", sagte er nach einer Sitzung des Landeskabinetts in München vor Journalisten. Die bayerische Regierung halte eine solche Impfpflicht prinzipiell für richtig, die Regelung müsse dabei jedoch "administrierbar" sein.
Lauterbach räumte ein, dass die Umsetzung des einrichtungsbezogenen Impfpflicht eine "unbeliebte Vollzugsmaßnahme" sei, die dazu führe, dass in einigen Ländern zumindest zeitweise Personal ausfallen könne. "Das macht niemand gern." Er hoffe aber weiterhin auf eine Einigung. Er werde mit den Ländern weiter an Instrumenten arbeiten, um die Umsetzung der Impfpflicht im Pflegebereich zu unterstützen.
BSG-Präsident Schlegel betonte vor Journalisten in Kassel, das im Dezember geänderte Infektionsschutzgesetz lege eindeutig fest, dass Ungeimpfte oder Genesene ab dem 16. März in bestimmten Pflege- und Gesundheitseinrichtungen nicht mehr arbeiten dürfen. Ausnahmen auf Landesebene seien nur zulässig, wenn es nicht genug Impfstoff gibt. Sei die einrichtungsbezogene Pflicht nicht mehr gewollt, müsse der Gesetzgeber das Gesetz aufheben oder das Inkrafttreten verschieben.
Mehrere andere Länder kündigten derweil an, das Gesetz anders als Bayern umzusetzen. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) warf Söder und anderen führenden Vertretern der Union am Dienstag in Mainz vor, dass beschlossene Gesetz "einseitig" und im Alleingang aufzukündigen und damit "Verunsicherung" zu schüren.
Auch der schleswig-holsteinische Regierungschef Daniel Günther (CDU) kündigte in Kiel an, sein Land werde die Impfpflicht wie geplant zum 15. März umzusetzen. Mehrere CDU-Ministerpräsidenten kritisierten am Dienstag zugleich jedoch fehlende Vorgaben. "Der Bund hat es bis heute versäumt, für die einrichtungsbezogene Impfpflicht wesentliche bundeseinheitliche Regeln vorzulegen", erklärte Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU).
In der Umsetzung stoße diese auf "enorme Schwierigkeiten", sagte Wüst am Dienstag in Düsseldorf. Sein Land werde aber eine "möglichst praxisorientierten Weg" zur Umsetzung suchen, so lange das Gesetz gelte. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte die Bundesregierung auf, Vorgaben zur Umsetzung zu übermitteln. Sonst halte der Regierungschef diese Impfpflicht für derzeit nicht vernünftig umsetzbar, erklärte Regierungssprecher Michael Bußer.
Auch aus der Unionsfraktion im Bundestag kamen Forderungen nach Nachbesserungen. Es gebe "offene Fragen" etwa mit Blick auf das Arbeitsrecht, sagte deren parlamentarischer Geschäftsführer, Thorsten Frei (CDU), der "Augsburger Allgemeinen". Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge forderte auf "Merkur.de" ein Sondertreffen von Bund und Ländern zu dem Thema.
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, rief währenddessen zur Mäßigung in der Debatte auf. Es sollten alle "mal einen Schritt zurücktreten" und "einen Gang runterschalten", sagte er in Berlin. Er sei für die einrichtungsbezogene Impfpflicht, es müsse aber auch sichergestellt sein, dass "die Versorgungssituation nicht Schaden nimmt".
(P.Toussaint--LPdF)