Le Pays De France - Mindestens zwölf Tote bei Protesten wütender Sadr-Anhänger im Irak

Paris -
Mindestens zwölf Tote bei Protesten wütender Sadr-Anhänger im Irak
Mindestens zwölf Tote bei Protesten wütender Sadr-Anhänger im Irak / Foto: © AFP

Mindestens zwölf Tote bei Protesten wütender Sadr-Anhänger im Irak

Bei Protesten wütender Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Moktada Sadr im Irak sind mindestens zwölf Menschen getötet und dutzende weitere verletzt worden. Aufgebrachte Sadr-Anhänger stürmten am Montag ein Regierungsgebäude, nachdem der Geistliche überraschend seinen "endgültigen" Rückzug aus der Politik verkündet hatte. Im stark gesicherten Regierungs- und Botschaftsviertel fielen Schüsse, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Armee verhängte eine landesweite Ausgangssperre.

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Nach Angaben von Ärzten wurden bei Zusammenstößen im Regierungsviertel mindestens zwölf Sadr-Anhänger getötet und 270 weitere verletzt. Augenzeugen zufolge lieferten sich Sadr-Unterstützer und Anhänger einer rivalisierenden schiitischen Gruppe Feuergefechte. Die Armee setzte Tränengas ein.

Die UN-Mission im Irak (Unami) sprach von einer "extrem gefährlichen Eskalation" und forderte die Demonstranten auf, das Regierungsviertel sofort zu verlassen. "Das Überleben des Staates steht auf dem Spiel", erklärte die UN-Mission. Die US-Regierung sprach von "beunruhigenden" Berichten aus Bagdad und mahnte alle Seiten zur Ruhe und zum Dialog.

Die Proteste weiteten sich am Abend auf weitere Landesteile aus. Laut Berichten von AFP-Reportern und Augenzeugen stürmten Sadr-Anhänger Regierungsgebäude in den südlichen Städten Nassirija und Hilla, in Hilla gab es Straßenblockaden.

Der Irak steckt seit Monaten in einer politischen Krise. Seit der Parlamentswahl im Oktober konnte noch keine neue Regierung gebildet werden - unter anderem, weil sich Sadrs Block mit der rivalisierenden Schiiten-Gruppe darüber streitet, wer den nächsten Ministerpräsidenten stellt.

Die wütenden Sadr-Sympathisanten hatten das Regierungsgebäude in der Grünen Zone gestürmt, nachdem der Prediger und einstige Milizenführer seinen Abschied von der Politik verkündet hatte. "Ich habe beschlossen, mich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen, deshalb kündige ich jetzt meinen endgültigen Rückzug an", erklärte Sadr im Onlinedienst Twitter. Mit wenigen Ausnahmen werde er alle mit seinem und dem Namen seiner Familie verbundenen Institutionen schließen.

Nach Sadrs Rückzugsankündigung drangen seine aufgebrachten Sympathisanten in den Palast der Republik ein, wo sie irakische Flaggen schwenkten, Selfies machten, sich in den Armsesseln eines Sitzungsraums niederließen oder bei einem Bad im Pool im Garten des Gebäudes abkühlten. Im Palast der Republik tagt sonst das Kabinett. Iraks Ministerpräsident Mustafa al-Kadhemi setzte die Kabinettssitzungen "bis auf Weiteres" aus und berief eine dringende Sicherheitssitzung im Hauptquartier des Militärkommandos ein.

Seit fast einem Monat halten Sadrs Anhänger die Umgebung des irakischen Parlaments in Bagdad besetzt. In der vergangenen Woche blockierten sie kurzzeitig den Zugang zum höchsten Gericht des Landes. Auf Plakaten forderten sie die Auflösung des Parlaments, Neuwahlen sowie den Kampf gegen Korruption.

Seit der US-geführten Invasion im Jahr 2003 wird der Irak nach einem konfessionellen Proporzsystem regiert, nach dem das Amt des Ministerpräsidenten den Schiiten vorbehalten ist. Die Sadr-Bewegung war bei der Parlamentswahl im Oktober zwar stärkste Kraft geworden, konnte aber keine Mehrheit bilden. Im Juni dann waren Sadrs Abgeordnete geschlossen zurückgetreten.

Der Streit zwischen den rivalisierenden schiitischen Gruppierungen hatte sich Ende Juli verschärft, nachdem Sadrs Strömung den Kandidaten einer von Teheran unterstützten Allianz, des sogenannten Koordinationsrahmens, abgelehnt hatte.

Sadr und seine Anhänger hatten in den vergangenen Wochen die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen gefordert. Am Samstag sagte der Prediger, es sei "wichtiger", dass alle Parteien und Menschen, die seit der US-geführten Invasion von 2003 "Teil des politischen Prozess gewesen seien", nicht mehr an diesem teilnähmen. Dazu gehöre auch seine Bewegung und er sei bereit, ein dahingehendes Abkommen zu unterzeichnen.

(F.Bonnet--LPdF)