Studie: Corona-Aufholprogramm erreichte förderbedürftige Schülerinnen und Schüler kaum
Ob Mathematiknachhilfe, Förderstunden oder Feriencamp: Die Corona-Bildungshilfen haben besonders förderbedürftige Schülerinnen und Schüler kaum erreicht. Zu diesem Schluss kommt das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in einer am Dienstag veröffentlichten Studie. Das zwei Milliarden Euro teure Bund-Länder-Aktionsprogamm "Aufholen nach Corona", das pandemiebedingte Lernlücken vor allem bei Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund schließen sollte, habe sein Ziel "weitgehend verfehlt".
Die Forscher um den WZB-Bildungsexperten Marcel Helbig untersuchten für alle 16 Bundesländer, wie die Hilfen konzipiert und umgesetzt wurden. Die Mehrheit der Länder verteilte ihre Mittel demnach vorwiegend "nach dem Gießkannenprinzip". So erhielten in vielen Bundesländern vergleichsweise privilegierte Schulen wie etwa Gymnasien oder Privatschulen im selben Umfang Mittel wie sozial belastete Schulen. Außerschulische Angebote wie private Nachhilfe oder freiwillige Ferienprogramme kamen besonders förderbedürftigen Schülern und Schülerinnen nicht im angestrebten Maß zugute.
Nur wenige Bundesländer vergaben die Mittel teilweise auf Grundlage von Lernstandserhebungen, wie in Brandenburg, oder Sozialindizes, wie in Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Nur vereinzelt wurden demnach mit den Aufholprogrammen Schülern jener Klassenstufen unterstützt, in denen wichtige Weichen für den weiteren Bildungsweg gestellt werden - wie beim Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen. Für die Mehrheit der Länder bleibe es zudem fraglich, inwieweit die angekündigte Unterstützung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik überhaupt stattfand.
Ob das Aktionsprogramm tatsächlich halft, pandemiebedingte Lernrückstände aufzuholen, bleibt der Studie zufolge offen, weil es keine systematische Datenerhebung gab. Auch die Teilnahme an den neuen Angeboten wurde unzureichend dokumentiert. Als Kernproblem der Aufholprogramme benennen die Forscher die Gewinnung von pädagogischem Personal. Kein Bundesland habe seine selbstgesteckten Personalziele erreicht – weder bei den Einstellungen noch bei der Zahl der Förderangebote.
Als positives Beispiel hob die Studie Hamburg hervor. Dort konnte für das Aufholprogramm auf bereits bestehende Strukturen zurückgegriffen werden, weil in dem Stadtstaat seit langer zeit Lernrückstände systematisch an den Schulen bearbeitet und so weit wie möglich auf Klassenwiederholungen verzichtet werde. Diese Strukturen konnten auch für den Abbau von Lernrückständen aufgrund der Schulschließungen in der Pandemie genutzt werden.
(L.Garnier--LPdF)