Keine Mehrheit unter EU-Ländern für neue Gentechnik-Regeln
Für Lockerungen der Regeln für neue Gentechnikmethoden gibt es unter den EU-Staaten vorerst keine Mehrheit. Die Landwirtschaftsministerinnen und -minister der Europäischen Union konnten sich bei einem Treffen am Montag in Brüssel nicht auf eine gemeinsame Position zum Vorschlag der EU-Kommission einigen, die Vorschriften für den Einsatz sogenannter Neuer Genomischer Verfahren (NGT) deutlich zu lockern. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung.
"Wer gentechnikfrei wirtschaften will, muss dies auch in Zukunft tun können", betonte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Das gelte für Bio-Landwirte genauso wie für den konventionellen Anbau. "Wir haben einen funktionierenden Markt, den muss man nicht kaputt machen", sagte Özdemir in Brüssel.
Der Koalitionspartner FDP ist jedoch für die gelockerten Regeln, Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger etwa hatte offensiv für die Pläne der EU-Kommission geworben. Gentechnik sei eine "chancenreiche Zukunftstechnologie" und entscheidend für die Entwicklung klimaresistenter Nutzpflanzen, betonte sie.
Gentechnisch veränderte Pflanzen könnten dazu beitragen, das Einkommen der Landwirtinnen und Landwirte zu sichern, erklärte auch der französische Agrarminister Marc Fesneau in Brüssel. Zudem könne so der Einsatz umweltschädlicher Pestizide verringert werden.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, für den Einsatz von NGT die Kennzeichnungspflicht sowie die Auflagen für Risikoprüfungen stark zu lockern und teilweise gänzlich abzuschaffen. Der am Montag abgelehnte Kompromissverschlag hatte diese Vorschläge weitgehend aufgenommen.
Mehrere Mitgliedsländer äußerten während der Sitzung am Montag Bedenken, weil das Patentrecht mit den neuen Vorschriften nicht ausreichend geklärt sei. Die EU müsse mittelständische Saatguthersteller schützen und verhindern, dass nur einzelne Großkonzerne Patente für gentechnisch verändertes Saatgut anmelden, erklärte auch Özdemir.
Sieben EU-Staaten stimmten schließlich gegen den Vorschlag der spanischen Ratspräsidentschaft, darunter etwa Österreich und Polen. Der spanische Landwirtschaftsminister Luis Planas zeigte sich dennoch optimistisch, in den kommenden Tagen auf Diplomatenebene einen Kompromiss zu finden. "Wir sind dabei, eine Einigung zu erzielen", betonte er nach der Abstimmung in Brüssel.
NGT-Verfahren ermöglichen präzise Eingriffe in die DNA einer Pflanze. Befürworter erhoffen sich dadurch neue Pflanzensorten, die sich besser an klimatische Veränderungen anpassen können, weniger Wasser benötigen oder resistenter gegenüber Krankheiten sind. Zudem sollen schneller neue Sorten auf den Markt kommen.
Der Umweltverband BUND bezeichnete es als "falsches Versprechen der Industrie", dass die Landwirtschaft mit Gentechnik fit für die Klimakrise werde. "Der Ökolandbau muss eine wichtige Alternative zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln bleiben", erklärte der Präsident des Vereins Bioland, Jan Plagge.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) forderte, Lebensmittel aus Gentechnik müssten auch in Zukunft klar gekennzeichnet werden. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten "im Supermarktregal erkennen können, ob in einem Produkt gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe enthalten sind oder nicht". Zudem müsse das Risiko gentechnisch veränderter Pflanzen weiter genau geprüft werden.
(V.Blanchet--LPdF)