IEA: Russlands Krieg gegen Ukraine könnte Energiewende beschleunigen
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine könnte die Energiewende beschleunigen. Aufgrund der "tiefgreifenden Neuorientierung" der globalen Energiemärkte seien die Investitionen in nachhaltige Energien gestiegen, erklärte die Internationale Energieagentur (IEA) anlässlich der Veröffentlichung ihres Jahresberichts am Donnerstag. Demnach könnten die mit der Energieproduktion verbundenen globalen CO2-Emissionen bis 2025 ihren Höhepunkt erreichen und die Investitionen in saubere Energie deutlich steigen. Dennoch sind viele Menschen in Europa der Meinung, dass die Regierungen ihrer Länder nicht angemessen auf den Klimawandel reagieren.
IEA-Chef Fatih Birol erklärte, die Energiemärkte und die Politik hätten sich durch die russische Invasion verändert - und zwar "nicht nur für die heutige Zeit, sondern für die kommenden Jahrzehnte". Diese Veränderungen könnten "Übergang zu einem nachhaltigeren und sichereren Energiesystem" beschleunigen, heißt es in dem Bericht.
Der "Bruch" Europas mit russischem Gas sei mit einer Geschwindigkeit eingetreten, die noch im vergangenen Jahr nur wenige für möglich gehalten hätten. Russland "scheitert" zudem daran, das zuvor nach Europa gelieferte Gas in andere Länder umzuleiten.
Die IEA berät die Industrieländer in Fragen der Energiepolitik. Für ihre Berechnungen hat sie drei Szenarien untersucht. In allen nimmt die Agentur an, dass die Gas- und Ölexporte Russlands nicht wieder das Niveau von 2021 erreichen werden. Ein Szenario geht davon aus, dass sich Russlands Anteil am Weltmarkt für Öl und Gas bis 2030 halbieren wird.
Erstmals wird in den Szenarien für die fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl ein Höhepunkt oder ein Plateau des Verbrauchs identifiziert. Das zentrale Szenario nimmt unter Berücksichtigung von Klimaprogrammen wie "Fit for 55" der EU an, dass die Emissionen nach dem Höhepunkt im Jahr 2025 langsam von ihrem Höchststand von 37 Milliarden Tonnen pro Jahr bis 2050 auf 32 Milliarden Tonnen fallen. Der Anteil fossiler Brennstoffe an der weltweiten Energieversorgung würde dabei bis 2050 von 80 Prozent auf etwa 60 Prozent zurückgehen.
Der Bericht sieht trotz dieser Bemühungen einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um etwa 2,5 Grad bis zum Jahr 2100. Die Anstrengungen reichten "bei weitem" nicht aus, um schwere Klimafolgen zu vermeiden. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 hatte sich die internationale Gemeinschaft dazu verpflichtet, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen.
Die IEA betonte die Notwendigkeit, massiv in saubere Energien zu investieren. Die Agentur zählt dazu auch die Atomkraft, die kaum CO2-Emissionen verursacht.
Das zentrale Szenario geht davon aus, dass die weltweiten Investitionen in saubere Energien bis 2030 um 50 Prozent auf zwei Billionen Dollar pro Jahr steigen könnten. Um bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen, müssten sie mit vier Billionen Dollar jedoch doppelt so hoch liegen.
Wichtig ist es der IEA zufolge zudem auch, die "besorgniserregende Kluft" zwischen ärmeren und reicheren Staaten zu schließen. Dies bedürfe "großer internationaler Anstrengungen".
Im Kampf gegen den Klimawandel stellen derweil viele Menschen in Europa ihren Regierungen ein schlechtes Zeugnis aus. 87 Prozent der Europäerinnen und Europäer sind einer Umfrage des Instituts BVA für die Europäische Investitionsbank und die Jean-Jaurès-Stiftung der Meinung, dass ihre Regierungen dem Klimawandel nicht gewachsen sind. Die globale Erwärmung ist nach einer Finanzkrise die zweitgrößte Sorge für die Befragten. Rund zwei Drittel der Europäerinnen und Europäer fordern von ihren Regierungen ein stärkeres Engagement gegen den Klimawandel.
(Y.Rousseau--LPdF)