Staatsanwaltschaft München I erhebt Anklage gegen früheren Wirecard-Chef Braun
Im Wirecard-Skandal hat die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen den in Untersuchungshaft sitzenden früheren Unternehmenschef Markus Braun und zwei weitere frühere Top-Manager des insolventen Zahlungsdienstleisters erhoben. Strafrechtlich vorgeworfen werden den Beschuldigten unrichtige Darstellung, Marktmanipulation, Untreue und gewerbsmäßiger Bandenbetrug, wie die Ermittlungsbehörde am Montag mitteilte. Das Landgericht München I muss nun über die Zulassung der 474 Seiten umfassenden Anklage entscheiden.
Die Wirecard-Chefetage soll über Jahre Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben, um das damals im Dax gelistete Unternehmen über Wasser zu halten und Kredite zu erschwindeln. Es handelt sich um einen der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Geschichte. Neben Braun sind der frühere Wirecard-Buchhaltungschef Stephan Freiherr von E. und der frühere Chef eines Wirecard-Unternehmens in Dubai, Oliver B., angeklagt. Während Braun und B. in Untersuchungshaft sitzen, war von E. vergangenes Jahr unter Auflagen freigelassen worden. Untergetaucht ist der ebenfalls schwer beschuldigte frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, die Ermittlungen in dem Fall hätten sich als außerordentlich schwierig und umfangreich erwiesen. So seien 340 Firmen, 450 Personen und über 1100 Bankverbindungen als relevant erkannt und bei entsprechender Bedeutung detailliert überprüft worden. Es seien 40 Durchsuchungsbeschlüsse vollzogen worden. Zusätzlich seien in zahlreichen anderen Ländern auf der Welt Rechtshilfeersuchen gestellt worden und 42 Terabyte Daten gesichert worden.
Im Fall einer Verurteilung drohen den drei Beschuldigten angesichts der massiven Vorwürfe lange Haftstrafen. Das Strafmaß reicht für die verschiedenen Komplexe jeweils bis zu zehn Jahre Haft.
Die Staatsanwaltschaft erklärte, die Beschuldigten hätten äußerst ertragreiche Geschäfte erfunden, damit Wirecard als überaus erfolgreiches Unternehmen wahrgenommen werde. Ausgewiesene Erlöse hätten gar nicht existiert. Die Konzernabschlüsse der Jahre 2015 bis 2018 seien falsch gewesen und hätten die Verhältnisse des Konzerns unrichtig wiedergegeben. Ein angeblich in Singapur verwaltetes Guthaben in Höhe von fast einer Milliarde Euro habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben. Dennoch habe Braun entsprechende Saldenbestätigungen gemacht und die jeweiligen Abschlüsse unterzeichnet, die beiden Mitangeklagten hätten ihn dabei unterstützt.
Von 2015 bis 2019 habe Wirecard zudem erheblich geschönte Zahlen veröffentlicht, was als Marktmanipulation strafbar sei. Hätte der Konzern die tatsächliche Finanzlage veröffentlicht, wäre es zu Kurseinbrüchen gekommen. Die drei Angeklagten seien hier als Bande tätig geworden. Braun habe unmittelbar davon profitiert, da seine Vorstandsvergütung an die Wertentwicklung der Aktie gekoppelt war. Außerdem habe er als Aktionär insgesamt 5,5 Millionen Euro an Dividende kassiert. Braun wird eine gewerbsmäßige Marktmanipulation vorgeworfen.
Untreue wirft die Staatsanwaltschaft den Wirecard-Managern in zwei Komplexen vor. Einmal soll eine Firma in Singapur 40 Millionen Euro ohne entsprechende Sicherheiten kassiert haben, das Unternehmen ist nicht mehr erreichbar und das Geld weg. Der untergetauchte Marsalek soll per Mail die Überweisung vorgeschlagen, Braun soll zugestimmt und den übrigen Vorstand ebenfalls zur Zustimmung gedrängt haben. Im zweiten Untreuekomplex sollen gleich mehrmals hohe Millionenbeträge für ein angebliches neues Geschäftsfeld geflossen sein.
Besonders schwer wiegt auch der Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, für den alleine bis zu zehn Jahre Haft drohen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagte vor, durch ihre falschen Darstellungen von den geschädigten Banken Kredite in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro sowie zwei Schuldverschreibungen über rund 1,4 Milliarden Euro ausbezahlt bekommen zu haben.
(V.Blanchet--LPdF)