Nordirlands Regierungschef tritt im Streit um Brexit-Regeln zurück
Der nordirische Regierungschef Paul Givan hat im Streit um die Brexit-Regeln für Nordirland seinen Rücktritt angekündigt. "Mit dem heutigen Tag geht das zu Ende, was das Privileg meines Lebens war", erklärte der Politiker der pro-britischen Democratic Unionist Party (DUP) am Donnerstag in Belfast. Nun muss auch die gleichberechtigte Vize-Regierungschefin Michelle O'Neill von der pro-irischen Partei Sinn Fein gemäß dem Karfreitagsabkommen von 1998, das drei Jahrzehnte des Bürgerkriegs beendet hatte, ihren Posten räumen.
Sinn Fein und DUP hatten sich erst vor acht Monaten auf eine gemeinsame Koalitionsregierung in der britischen Provinz geeinigt. Das restliche Kabinett kann streng genommen im Amt bleiben, allerdings kann die Regionalregierung nach Givans Rücktritt keine grundlegenden Entscheidungen mehr treffen, auch nicht über ihren Haushalt.
Die Parteivorsitzende von Sinn Fein, Mary Lou McDonald, forderte vorgezogene Neuwahlen: "Wir können uns nicht monatelang ohne eine funktionierende Exekutive durchhangeln. Sinn Fein wird dies nicht zulassen." Die pro-irische Partei liegt derzeit in den Meinungsumfragen vorne.
Der britische Staatssekretär für Nordirland, Brandon Lewis, bezeichnete Givans Rücktritt als "äußerst enttäuschend" und rief ihn auf, seine Entscheidung zu überdenken. "Wir dürfen nicht zu einem Zustand des politischen Stillstands und der Unbeweglichkeit zurückkehren."
Givans Rücktritt war bereits erwartet worden, nachdem der DUP-Vorsitzende Jeffrey Donaldson im vergangenen Jahr gedroht hatte, die Koalitionsregierung der britischen Provinz im Streit um das Nordirland-Protokoll des Brexit-Abkommens platzen zu lassen.
Donaldson verteidigte die Entscheidung seines Parteikollegen am Donnerstag. Das Nordirland-Protokoll sei eine "existenzielle Bedrohung" für Nordirlands Platz im Vereinigten Königreich und schade der Wirtschaft, sagte er. "Ich denke, jetzt ist der Moment gekommen, an dem wir sagen: 'Genug'."
Givans Rückzug war ein erneuter Streit um Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens vorausgegangen. Am Mittwochabend hatte der Landwirtschaftsminister Edwin Poots von der DUP den Stopp der umstrittenen Zollkontrollen von britischen Importen angeordnet. Die irische Regierung und Sinn Fein hatten den Schritt kritisiert.
Das mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU in einem Handelsabkommen vereinbarte Nordirland-Protokoll sieht Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs vor. So soll das Entstehen einer harten Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden. Auf diese Weise soll erneute Gewalt nach dem jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt vermieden werden.
Die DUP argumentiert, die Regelung schade Unternehmen in Nordirland und treibe einen Keil zwischen die Provinz und den Rest des Vereinigten Königreichs.
Unterdessen gingen die Verhandlungen zwischen der britischen Regierung und der EU über eine Reform des Protokolls weiter. Die britische Außenministerin Liz Truss beriet sich am Donnerstag mit dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic.
Truss sprach im Anschluss von einer "guten Diskussion" und kündigte an, die Gespräche nächste Woche in London fortzusetzen. "Meine Priorität bleibt die Erhaltung des Friedens und der Stabilität in Nordirland", erklärte sie auf Twitter.
Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, das Grenzabkommen sei "die einzige Lösung", um das Karfreitagsabkommen von 1998 zu schützen.
(A.Monet--LPdF)