Neun-Euro-Ticket sorgt für Umstieg vom Auto auf ÖPNV
Das Neun-Euro-Ticket hat dafür gesorgt, dass Pendlerinnen und Pendler im Juni vom Auto zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gewechselt sind - wenn auch in geringem Maße. Am meisten genutzt wurde das günstige Ticket für Wochenendausflüge, wie eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zeigt. Das Bündnis Allianz pro Schiene würdigte am Donnerstag, dass Deutschland mehr als je zuvor in das Schienennetz investiere - im europaweiten Vergleich sei das aber immer noch wenig.
Das Reiseaufkommen im Straßenverkehr lag im bisherigen Jahresverlauf meist leicht über dem Vorkrisenniveau von 2019, wie das Statistikamt mitteilte. "Seit Einführung des Neun-Euro-Tickets war ein moderater Rückgang zu verzeichnen." Im Schienenverkehr dagegen erhöhte sich das Reiseaufkommen im Juni deutlich um 42 Prozent im Vergleich zum Juni 2019.
Das Statistikamt verglich Mobilfunkdaten von Mai und Juni 2019 - also vor der Corona-Krise - mit Daten von Mai und Juni in diesem Jahr. Die Zugreisen auf kurzen Strecken zwischen 30 und 100 Kilometern lagen demnach in der letzten Maiwoche ungefähr auf Vorkrisenniveau - in der ersten Juniwoche, also mit dem Start des Neun-Euro-Tickets, lagen sie dann 58 Prozent über Vorkrisenniveau.
Im Straßenverkehr war bei kurzen Strecken gleichzeitig ein Rückgang zu beobachten: von elf Prozent über Vorkrisenniveau im Mai auf sechs Prozent über Vorkrisenniveau im Juni. "Der vergleichsweise moderate Rückgang im Straßenverkehr an Wochentagen und auf kürzeren Strecken könnte daher darauf hindeuten, dass der Rückgang der Pkw-Fahrten durch einen Anstieg der Busfahrten kompensiert wurde", erklärten die Statistiker.
Die deutlichsten Effekte sind demnach an den Wochenenden zu beobachten. Im April und Mai gab es montags bis freitags weniger Bewegungen im Schienenverkehr auf kurzen Strecken als vor der Corona-Krise. Im Juni lagen sie im Schnitt 36 Prozent darüber - an Samstagen gar um 83 Prozent und an Sonntagen um 61 Prozent.
Bei mittleren Strecken von 100 bis 300 Kilometern lag die Nutzung in der ersten Juniwoche um 64 Prozent über dem Vorkrisenniveau. Diese Strecken sind gut mit einem Regionalzug zurückzulegen, in dem meist auch das Neun-Euro-Ticket gilt.
Deutschland investierte nach Angaben der Allianz pro Schiene im vergangenen Jahr 124 Euro pro Einwohner in das Schienennetz. Das sei so viel wie noch nie gewesen, sagte Geschäftsführer Dirk Flege - aber auch andere europäische Staaten hätten die staatlichen Investitionen ins Gleisnetz deutlich gesteigert.
Spitzenreiter 2021 waren Luxemburg mit 607 Euro pro Einwohner und die Schweiz mit 413 Euro, wie die Untersuchung der Allianz pro Schiene gemeinsam mit der Unternehmensberatung SCI Verkehr ermittelte. Mit 315 Euro pro Kopf landete Norwegen erstmals auf Platz drei, Österreich kam mit 271 Euro auf den vierten Platz. Deutschland liegt demnach hinter Großbritannien (158 Euro), Dänemark (157 Euro) und den Niederlanden (147 Euro) abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze direkt vor Italien (103 Euro).
Das Bündnis warnte vor einem erneuten Zurückfallen bei den Investitionen: "Deutschlands Schienennetz ächzt unter der Verkehrslast. Die Nachfrage nach Güter- und Personentransporten auf der Schiene ist riesig. Immer mehr Unternehmen und Menschen wollen die Bahn nutzen, stoßen aber auf Kapazitätsengpässe, weil die Schieneninfrastruktur unterdimensioniert und unterfinanziert ist", sagte die Geschäftsführerin von SCI Verkehr, Maria Leenen. Das Schlimme sei, dass Deutschland auch bei der Digitalisierung des Schienennetzes im EU-Vergleich weit hinterherhinke.
(A.Monet--LPdF)