Rushdie sieht Freiheit von links und rechts unter Druck - Rede zum Friedenspreis
In seiner Rede zur Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie zur Verteidigung der Meinungsfreiheit aufgerufen. "Von links wie von rechts gerät die Freiheit unter Duck", sagte der Schriftsteller am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche. Insbesondere die Meinungsfreiheit werde "auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen".
"Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt hätte, sie erleben zu müssen", sagte Rushdie weiter. Es sei eine Zeit, "in der Bildungseinrichtungen und Bibliotheken Zensur und Feindseligkeit ausgesetzt seien", und eine Zeit, "in der extremistische Religionen und bigotte Ideologien beginnen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen haben".
Inzwischen gebe es sogar im progressiven Spektrum Stimmen, die sich für eine Art gut gemeinter Zensur aussprechen, kritisierte Rushdie - "eine Zensur, die sich den Anschein der Tugendhaftigkeit gibt und die viele vor allem junge Menschen für eine Tugend halten".
Rushdie forderte hingegen, die Meinungsfreiheit "erbittert" zu verteidigen - "auch dann, wenn sie uns beleidigt". Statt mit Zensur zu reagieren, "sollten wir schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann".
In seiner Dankesrede beschrieb Rushdie die Sehnsucht nach Frieden, der aber schwer zu schaffen und schwer zu finden sei. Mit Blick auf die Ukraine sagte Rushdie, dort tobe "ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg - ein trauriges Narrativ, dem deutschen Publikum nicht unbekannt".
Auch auf den Nahost-Konflikt kam Rushdie zu sprechen. "Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen."
Rushdie rief in seiner Rede dazu auf, nicht aufzuhören, sich für den Frieden einzusetzen und betonte, dass der Friede, "so mühselig er auch zu finden ist, so unmöglich es scheinen mag, zu unseren großen Werten zählt, die es leidenschaftlich zu verfolgen gilt".
Der 76-Jährige Rushdie wurde laut Würdigung des Stiftungsrats des Friedenspreises "für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert" geehrt. Trotz eines Lebens in ständiger Gefahr sei Rushdie "einer der leidenschaftlichsten Verfechter der Freiheit des Denkens und der Sprache" - und zwar auch von jenen Menschen, deren Ansichten er nicht teile.
Rushdie wurde seit der Veröffentlichung seines Romans "Die satanischen Verse" 1988 immer wieder bedroht. Eine Messerattacke im August 2022 in den USA überlebte er nur knapp. Seitdem ist er auf einem Auge blind. Der mit 25.000 Euro dotierte Friedenspreis wird seit 1950 vergeben. 2022 erhielt ihn der ukrainische Schriftsteller, Dichter und Musiker Serhij Schadan.
(L.Garnier--LPdF)